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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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konnten, fragen Sie nur.«
    »Nun, die erste Frage wäre: Wie haben Sie es zu solchem Wohlstand bringen können, ohne ein Verbrechen zu begehen?«
    Michael tat die Schmeichelei mit einem Lachen ab. »Wenn Sie dieses Haus in zwei Monaten sehen, werden Sie es verstehen«, sagte er. Aber er war nicht so töricht, zu glauben, daß sein bescheidenes Vermögen diesen Mann wirklich beeindruckt hatte. Was waren denn zwei Millionen in Standardaktien, verglichen mit dem Mayfair-Vermächtnis? Nein, das war ein kleiner Seitenhieb auf seine Abstammung gewesen – auf die Tatsache, daß er auf der anderen Seite der Magazine Street auf die Welt gekommen war und daß sein Tonfall immer noch nach dem Irish Channel klang. Aber Michael war zu lange an der Westküste gewesen, um sich über so etwas noch den Kopf zu zerbrechen.
    Sie spazierten zusammen über den frischgemähten Rasen. Neue Buchsbäumchen, klein und stramm, waren überall im Garten angepflanzt. Man konnte jetzt die Blumenbeete wieder sehen, wie sie ein Jahrhundert zuvor angelegt worden waren, und man sah auch die kleinen griechischen Statuen, die an den vier Ecken aufgestellt waren. Tatsächlich kam der ganze klassische Plan der Anlage wieder zum Vorschein.
    Beatrice, höchst dramatisch ausstaffiert mit einem ausladenden pinkfarbenen Hut und einer großen, viereckigen silbergerahmten Brille, traf sich um zwei mit Rowan, um die Einzelheiten der Hochzeit zu besprechen. Rowan hatte den Termin für den Donnerstag der nächsten Woche angesetzt. »In nicht einmal vierzehn Tagen?« rief Beatrice erschrocken aus. Nein, man mußte doch alles richtig machen. War Rowan etwa nicht klar, was diese Heirat für die Familie bedeutete? Aus Atlanta und aus New York würden die Leute kommen.
    Vor Ende Oktober ließe sich da nichts machen. Und sicher wollte Rowan doch, daß die Renovierung des Hauses vorher abgeschlossen wäre. Es bedeutete allen so viel, das Haus in seiner alten Pracht wieder zu sehen.
    Also schön, willigte Rowan ein; vermutlich konnten sie und Michael noch so lange warten – vor allem, wenn es bedeutete, daß sie und Michael ihre Hochzeitsnacht im Haus verbringen und den Empfang dort abhalten konnten.
    Auf jeden Fall, sagte Michael; damit hätte er noch fast acht volle Wochen, um alles auf Vordermann zu bringen. Das Erdgeschoß und die vorderen Schlafzimmer im ersten Stock könnten bis dahin unter allen Umständen fertig sein.
    »Das wäre dann eine Doppelfeier, nicht wahr?« meinte Bea. »Eure Hochzeit und die Wiedereröffnung des Hauses. Ach, Kinder, ihr werdet alle so glücklich machen.«
    Und, jawohl, jeder einzelne Mayfair auf der Welt müsse eingeladen werden. Bea wandte sich wieder ihrer Liste zu. Das Haus konnte tausend Personen bewirten, wenn man Zelte am Pool und auf dem Rasen aufstellte.
    Ja, es würde werden wie in alten Zeiten, wie bei Mary Beth. Ob Rowan ein paar Photos von den alten Partys sehen wollte, die vor Stellas Tod hier gegeben worden waren?
    »Wir werden alle diese Photos für den Empfang sammeln«, sagte Rowan. »Es wird eine Wiedersehensfeier für die ganze Familie. Wir stellen die Photos aus, damit alle ihren Spaß daran haben.«
    »Das wird wunderbar.«
    Plötzlich griff Beatrice nach Michaels Hand. »Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Darling? Jetzt, wo Sie praktisch zur Familie gehören? Weshalb, um alles in der Welt, tragen Sie diese greulichen Handschuhe?«
    »Ich sehe Dinge, wenn ich jemanden anfasse«, sagte er, bevor er sich besinnen konnte.
    Ihre großen grauen Augen strahlten. »Oh, das ist ja faszinierend. Wußten Sie, daß Julien diese Gabe auch hatte? So hat man es mir jedenfalls erzählt. Und Mary Beth auch. Oh, Darling, bitte erlauben Sie…« Sie begann das Leder hochzurollen, und ihre langen, pinkfarbenen, mandelförmigen Fingernägel kratzten sanft über seine Haut. »Bitte? Darf ich? Sie haben nichts dagegen?« Sie zog den Handschuh ganz ab und hielt ihn mit triumphierendem, aber doch unschuldsvollem Lächeln in die Höhe.
    Er tat nichts. Er blieb ungerührt und hielt die Hand offen, die Finger leicht gekrümmt. Er sah zu, wie sie ihre Hand darauf legte und dann kräftig zudrückte. Wahllose Bilder drängten sich blitzartig in seinem Kopf. Sie kamen und gingen kunterbunt und so schnell, daß er nichts davon zu fassen bekam – nur ihre allgemeine Atmosphäre, das Empfinden von Gesundheit, Sonnenschein und frischer Luft, und ein ausgeprägter Eindruck: Unschuldig. Nicht eine von ihnen.
    »Was haben Sie gesehen?«
    Er sah, wie

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