Hexenstunde
drei Zügen ging ihm die Luft aus.
Ein scharfer Schmerz fuhr ihm durch die Rippen, und er schwenkte seitwärts ab. Als er den Beckenrand erfaßt und dort Halt gefunden hatte, war die Nacht leer und still.
Einen Augenblick tat er gar nichts. Keuchend hing er an der Kante, versuchte sein rasendes Herz zu beruhigen und wartete darauf, daß der Schmerz in seiner Lunge nachließ. Seine Blicke wanderten dabei über die leere Terrasse, die dunklen Fenster, den einsamen Rasen.
Dann kletterte er mühsam aus dem Pool. Sein Körper fühlte sich unglaublich schwer an, und trotz der Wärme war ihm kalt. Fröstelnd blieb er stehen; dann ging er in die Badehütte und griff nach einem der schmutzigen Handtücher, die er tagsüber benutzte, wenn er hier hereinkam, um sich die Hände zu waschen. Er frottierte sich ab und ging wieder hinaus, und er blickte über den leeren Garten zum dunklen Haus hinüber. Die frisch gestrichenen violetten Wände hatten jetzt genau die gleiche Farbe wie der Abendhimmel.
Sein eigener geräuschvoller Atem war der einzige Laut in der Stille. Aber der Schmerz in seiner Brust war vergangen, und er zwang sich, ein paarmal langsam und tief durchzuatmen.
Hatte er Angst? War er wütend? Er wußte es ehrlich nicht. Vielleicht hatte er eine Art Schock erlitten. Auch das konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Auf alle Fälle hatte er wieder das Gefühl, einen Dauerlauf hinter sich zu haben, und jetzt bekam er auch Kopfschmerzen. Er raffte seine Kleider auf und zog sich an; aber er lehnte es ab, sich zu beeilen, lehnte es ab, sich vertreiben zu lassen.
Dann saß er eine ganze Weile auf der geschwungenen Eisenbank, rauchte eine Zigarette und studierte seine Umgebung. Er versuchte, sich genau zu erinnern, was er gesehen hatte. Stellas letzte Party. Arthur Langtry.
Wieder einer von Lashers Tricks?
Weit hinten, auf der anderen Seite des Rasens, am vorderen Zaun zwischen den Kamelien, schien sich jemand zu bewegen. Schritte hallten herüber. Aber es war nur ein Abendspaziergänger, vielleicht jemand, der zwischen den Blättern hindurchspähte.
Er lauschte, bis er die Schritte nicht mehr hörte, und dann bemerkte er, daß er das klickende Räderrauschen eines vorüberfahrenden Zuges unten am Fluß vernahm, ganz wie er es als Junge in der Annunciation Street hatte hören können. Und da war wieder das Geräusch, das klang wie ein weinendes Baby: Es war die Zugsirene.
Er stand auf, drückte die Zigarette aus und kehrte ins Haus zurück. »Du machst mir keine angst«, sagte er obenhin. »Und ich glaube nicht, daß es Arthur Langtry war.«
Hatte da jemand in der Dunkelheit geseufzt? Er drehte sich um. Hinter ihm war nur das leere Eßzimmer. Nur die hohe schlüssellochförmige Tür zum Flur. Er ging weiter und machte sich nicht die Mühe, seine Schritte zu dämpfen; laut und aufdringlich ließ er sie durch das Haus hallen.
Wieder im Hotel angekommen, rief er Aaron vom Foyer aus an und bat ihn, auf einen Drink in die Bar herunterzukommen. Es war ein angenehmes kleines Lokal, gleich vorn am Eingang, mit ein paar gemütlichen Tischen, matt erleuchtet und nur selten voll.
Sie setzten sich an einen Tisch in der Ecke. Er kippte ein halbes Bier in Rekordzeit und berichtete Aaron, was passiert war. Er beschrieb auch den grauhaarigen alten Mann. »Wissen Sie, ich möchte es Rowan eigentlich gar nicht erzählen«, gestand er.
»Warum nicht?«
»Weil sie es nicht wissen will. Sie will mich nicht aufgeregt sehen. Es macht sie wahnsinnig. Sie bemüht sich, verständnisvoll zu sein, aber die Dinge wirken einfach anders auf sie. Ich drehe durch. Sie wird wütend.«
»Erzählen Sie’s ihr. Erzählen Sie ihr einfach und ruhig, was passiert ist. Zeigen Sie ihr nicht die Reaktion, über die sie sich aufregt – es sei denn natürlich, sie wollte es so. Aber verheimlichen Sie ihr nichts, Michael, vor allem nicht so etwas.«
Michael schwieg eine ganze Weile. Aaron hatte sein Glas fast ausgetrunken.
»Aaron – das Talent, das sie hat… gibt es eine Möglichkeit, es zu testen, damit zu arbeiten oder heraus zu finden, wozu es imstande ist?«
Aaron nickte. »Ja, aber sie glaubt, daß sie ihr Leben lang damit gearbeitet und geheilt hat. Und sie hat recht. Was das negative Potential angeht, so will sie es nicht erst entwickeln; sie will es vollständig im Zaum halten.«
»Ja, aber man sollte doch meinen, sie würde ab und zu damit spielen wollen, in einer Laborsituation, sozusagen.«
»Irgendwann vielleicht. Im Moment, glaube
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