Hexenstunde
ich, ist sie mit all ihren Gedanken bei ihrem medizinischen Zentrum. Wie Sie sagten, sie möchte mit ihrer Familie Zusammen sein und diese Pläne realisieren. Und ich muß zugeben, dieses ›Mayfair Medical‹ ist eine prachtvolle Idee. Ich glaube, auch Mayfair und Mayfair sind beeindruckt, selbst wenn es ihnen schwerfällt, das zuzugeben.« Aaron trank seinen Wein aus. »Wie geht’s bei Ihnen?« Er deutete auf Michaels Hände.
»Oh, schon besser. Ich ziehe die Handschuhe immer öfter aus. Ich weiß nicht…«
»Und beim Schwimmen?«
»Ja, ich glaube, da habe ich sie auch ausgezogen. Gott, ich habe gar nicht drüber nachgedacht. Ich… Sie glauben doch nicht, daß es damit etwas zu tun hatte, oder?«
»Nein, das glaube ich nicht. Aber ich denke, Sie haben durchaus recht mit Ihrer Vermutung, daß es vielleicht nicht Langtry war. Es ist vielleicht nur ein Gefühl, aber ich glaube nicht, daß Langtry auf diese Weise versuchen würde, zu uns durch zu dringen. Aber erzählen Sie’s Rowan. Sie wollen doch auch, daß Rowan völlig ehrlich zu Ihnen ist, oder? Erzählen Sie ihr alles.«
Er wußte, daß Aaron recht hatte. Er war fürs Dinner angezogen und wartete im Wohnzimmer der Suite, als Rowan hereinkam. Er machte ihr ein Club Soda mit Eis und berichtete dabei so kurz wie möglich von seinem Erlebnis.
Sofort sah er die bange Unruhe in ihrer Miene. Es war fast eine Enttäuschung, daß es wieder etwas Häßlichem, Dunklem, Furchtbarem gelungen war, ihr beinahe störrisches Gefühl, daß alles gut gehe, zu beeinträchtigen. Anscheinend wußte sie nicht, was sie sagen sollte. Sie saß auf der Couch neben einem Berg von Paketen, die sie mitgebracht hatte, und rührte ihren Drink nicht an.
»Ich glaube, es war einer von seinen Tricks«, meinte Michael. »Das Gefühl hatte ich. Die Lilie, das war auch so ein Trick. Ich denke, wir sollten uns einfach nicht beirren lassen.«
Das war es doch, was sie hören wollte, oder?
»Ja, genau das sollten wir tun«, sagte sie leicht gereizt. »Hat es… hat es dich aufgeregt? Ich könnte mir vorstellen, daß ich verrückt geworden wäre, wenn ich so etwas gesehen hätte.«
»Nein«, sagte er. »Es war ein Schock. Aber irgend wie faszinierend. Ich glaube, es hat mich wütend gemacht. Irgend wie hatte ich… na ja, ich hatte einen von diesen Anfällen, irgend wie…«
»O Gott, Michael.«
»Nein, nein, bleiben Sie sitzen, Dr. Mayfair. Mir fehlt nichts. Nur, wenn so etwas passiert, kommt es zu einer Art Überanstrengung, einer systematischen Reaktion des Gesamtorganismus oder so was. Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich Angst und weiß es nicht. Das ist es wahrscheinlich. Als Kind war ich einmal auf der Achterbahn in Pontchartrain Beach. Wir kamen ganz oben an, und ich dachte mir, ein einziges Mal fährst du runter, ohne dich anzuspannen. Ich fahre einfach völlig entspannt die Steilbahn runter. Na, und da ist etwas sehr Merkwürdiges passiert. Ich bekam Krämpfe in Brust und Bauch. Solche Schmerzen! Es war, als ob mein Körper sich für mich anspannte, ohne meine Erlaubnis. So ähnlich war es jetzt auch. Nein, es war genauso!«
Sie schien tatsächlich innerlich zu kochen. Mit verschränkten Armen, die Lippen zusammen gepreßt, saß sie da und kochte. Schließlich sagte sie mit leiser Stimme: »Leute sterben durch Herzanfälle auf Achterbahnen. Ganz so, wie sie auch durch andere Formen von Streß sterben.«
»Ich werde nicht sterben.«
»Wieso bist du so sicher?«
»Weil ich es schon getan habe«, sagte er. »Und ich weiß, jetzt ist nicht die Zeit dafür.«
Sie lachte kurz und bitter. »Sehr komisch.«
»Es ist mein voller Ernst.«
»Geh nie wieder allein dort hinüber. Gib ihm keine Gelegenheit mehr, so etwas mit dir zu machen.«
»Blödsinn, Rowan! Ich habe keine Angst vor dem verdammten Ding. Außerdem gehe ich gern hinüber. Und…«
»Und was?«
»Das Ding wird sich früher oder später zeigen.«
»Und wieso bist du so sicher, daß es Lasher war?« fragte sie in ruhigem Ton. Ihr Gesicht war plötzlich ganz glatt. »Wenn es nun tatsächlich Langtry war, und wenn Langtry will, daß du mich verläßt?«
Er schnaubte abschätzig.
Aber sie war aufgestanden und steifbeinig hinausgegangen. Noch nie hatte er sie so erlebt. Einen Augenblick später war sie wieder da, und sie hielt ihre schwarze Ledertasche in der Hand.
»Knöpf dein Hemd auf, ja?« Sie zog ihr Stethoskop hervor.
»Was! Das soll wohl ein Witz sein?«
Sie blieb vor ihm stehen, hielt das Stethoskop in
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