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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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tiefen Falten seines Gesichts, in den zarten Hauttaschen an seinen hellen, flehentlich blickenden Augen. Er kam ihr plötzlich so schwach vor, ganz ohne seine gewohnte Eloquenz und Anmut. Ein alter Mann mit weißen Haaren, der sie mit kindlichem Staunen anstarrte. Ganz ohne einen Zauber.
    »Sie wissen, was das im Grunde bedeuten könnte, nicht wahr?« sagte sie müde. »Wenn Sie einmal hinter Ihre Angst blicken?«
    »Er belügt Sie. Er übernimmt Ihr Gewissen.«
    »Sagen Sie das nicht zu mir!« fauchte sie. »Das ist kein Mut, das ist Dummheit!« Sie lehnte sich zurück und versuchte sich zu beruhigen. Es hatte eine Zeit gegeben, da sie diesen Mann geliebt hatte. Auch jetzt noch wollte sie nicht, daß ihm ein Haar gekrümmt wurde. »Sehen Sie nicht, was das unausweichliche Ende ist?« fragte sie müde. »Wenn die Mutation erfolgreich ist, kann er sich verbreiten. Wenn die Zellen verpflanzt werden und sich in anderen menschlichen Körpern replizieren können, dann ließe sich die Zukunft der menschlichen Rasse verändern. Die Rede ist vom Ende des Todes!«
    »Die uralte Verlockung«, sagte Aaron verbittert. »Die uralte Lüge.«
    Sie lächelte, als sie sah, daß seine Fassung dahin war.
    »Ihre Heuchelei ödet mich an«, sagte sie. »Die Wissenschaft war immer der Schlüssel. Hexen waren nichts als Wissenschaftlerinnen, schon immer. Schwarze Magie bemühte sich nur, Wissenschaft zu sein. Und Mary Shelley hat die Zukunft gesehen. Dichter sehen immer die Zukunft. Und die Kids in der dritten Reihe im Kino wissen das, wenn sie sehen, wie Dr. Frankenstein das Monster zusammenstückelt und den Körper in den elektrischen Sturm erhebt.«
    »Aber es ist eine Schreckensgeschichte, Rowan. Er hat Ihr Gewissen mutiert.«
    »Beleidigen Sie mich nicht noch einmal«, sagte sie und beugte sich über den Tisch nach vorn. »Sie sind alt, und Sie haben nicht mehr viele Jahre vor sich. Ich liebe Sie für das, was Sie mir gegeben haben, und ich will Sie nicht verletzen. Aber führen Sie mich nicht in Versuchung, und vor allem führen Sie ihn nicht in Versuchung. Was ich Ihnen sage, ist die Wahrheit.«
    Er antwortete nicht; er war plötzlich verblüffend ruhig und gelassen. Seine kleinen nußbraunen Augen waren auf einmal völlig undurchdringlich, und sie bewunderte seine Kraft. Sie mußte lächeln.
    »Glauben Sie nicht, was ich Ihnen erzähle? Wollen Sie es nicht in Ihre Akte schreiben? Ich habe es in Lemles Labor gesehen, als ich den Fötus an all diesen kleinen Schläuchen hängen sah. Sie haben nie herausgefunden, warum ich Lemle getötet habe, nicht wahr? Sie wußten, daß ich es getan habe, aber Sie wußten den Grund nicht. Lemle leitete ein Projekt im Institut. Er erntete Zellen von lebenden Föten und verwandelte sie für Transplantate. So etwas ist auch anderswo im Gange. Sie sehen, welche Möglichkeiten das birgt – aber stellen Sie sich Experimente mit Lashers Zellen vor, mit Zellen, die seit Jahrmilliarden Bewußtsein tragen und transportieren.«
    »Ich möchte, daß Sie Michael anrufen. Bitten Sie Michael, nach Hause zu kommen.«
    »Michael kann ihn nicht aufhalten. Nur ich kann es. Michael soll bleiben, wo er ist: außer Gefahr. Oder wollen Sie, daß Michael auch stirbt?«
    »Hören Sie auf mich. Sie können Ihren Geist vor diesem Wesen verschließen. Sie müssen nur wollen. Versuchen Sie es nur, dann werden Sie schon sehen.«
    »Und warum sollte ich das tun?«
    »Um Zeit zu gewinnen. Um einen sicheren Ort zu haben, an dem Sie eine moralische Entscheidung treffen können.«
    »Nein. Sie begreifen nicht, wie mächtig er ist. Sie haben es nie begriffen. Und Sie wissen nicht, wie gut er mich kennt. Das ist der Schlüssel: was er über mich weiß.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will nicht tun, was er will«, sagte sie. »Wirklich nicht. Aber es ist unwiderstehlich. Sehen Sie das nicht ein?«
    »Und Michael? Und Ihre Träume von Mayfair Medical?«
    »Ellie hatte recht«, sagte sie. Sie lehnte sich zurück und starrte ins Leere; die Lichter der Bar verschwammen vor ihren Augen. »Ich hätte nie zurück kommen dürfen. Er hat Michael dazu benutzt, um mich zurück zuholen. Ich wußte, daß Michael in New Orleans war, und aus diesem Grund kam ich her wie eine läufige Hündin!«
    »Sie sagen nicht die Wahrheit. Kommen Sie mit mir nach oben und bleiben Sie bei mir.«
    »Sie sind ein solcher Trottel. Ich könnte Sie an Ort und Stelle umbringen, und niemand würde es je erfahren. Niemand außer Ihrer Bruderschaft und Ihrem Freund

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