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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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verdichtete sich.
    »Die Stunde steht dicht bevor, meine Geliebte. Die Zeit meiner Wahl.«
    »Und jetzt willst du mir Naturwissenschaft beibringen, denn ich weiß immer noch nicht, wie ich dich herüber bringen soll.«
    »Nein? Hast du es nicht schon immer begriffen?«
    Sie antwortete nicht. Es war, als verdichte sich der Film ihrer Träume ringsumher; Bilder verfestigten sich und trieben dann weiter, so daß die Kälte und die Einsamkeit härter und fast unerträglich wurden.
    Immer dichter wurde das Dunkel. Es sammelte sich zu einer Form, und in der wirbelnden Dichte glaubte sie die Umrisse menschlicher Knochen zu sehen. Die Knochen schienen zu tanzen, sich zu sammeln, und dann kam das Fleisch über sie, und leuchtend grüne Augen schauten sie plötzlich aus diesem Gesicht an.
    »Die Zeit ist fast gekommen, Rowan«, sagte er.
    Staunend sah sie, daß seine Lippen sich bewegten. Sie sah das Schimmern seiner Zähne. Sie merkte, daß sie sich erhoben hatte und sehr dicht vor ihm stand, und die schiere Schönheit seines Gesichtes verschlug ihr den Atem. Er schaute auf sie herab. Seine Augen wurden etwas dunkler, und blonde Wimpern glänzten golden im Licht.
    »Es ist nahezu vollkommen«, flüsterte sie.
    Sie starrte ihn an, und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Laß es gut sein«, sagte sie. »Siehst du denn nicht? Du hast es geschafft!«
    »Ja?« Sein Gesicht funktionierte tadellos; feine Muskeln spannten und lösten sich, und die Augen wurden schmal wie die Augen jedes Menschen, wenn er sich konzentrierte. »Du glaubst, das ist ein Körper? Es ist eine Replik! Eine Skulptur, eine Statue. Es ist nichts, und das weißt du. Glaubst du, du kannst mich in diese Hülse aus winzigen leblosen Partikeln locken, um dann Gewalt über mich zu haben? Über einen Roboter? Den du zerstören kannst?«
    »Was redest du da?« Sie wich zurück. »Ich kann dir nicht helfen. Ich weiß nicht, was du von mir willst.«
    »Wo willst du hin, mein Liebling?« fragte er, und seine Brauen hoben sich kaum merklich. »Glaubst du, du kannst vor mir fliehen? Sieh nur auf die Uhr, meine schöne Rowan. Die Stunde der Hexen ist gekommen, da Christus in diese Welt geboren wurde, da das Wort endlich Fleisch wurde. Und auch ich will jetzt geboren werden, meine schöne Hexe. Ich habe lange genug gewartet.«
    Er trat vor. Seine rechte Hand schloß sich um ihre Schulter, und seine Linke legte sich auf ihren Bauch, und Wärme durchdrang sie in einem sengendem Schimmer, daß ihr übel wurde, als er sie festhielt.
    »Geh weg von mir!« wisperte sie. »Ich kann es nicht.« Sie beschwor ihren Zorn und ihren Willen herauf, und ihr Blick bohrte sich in die Augen dieses Dings vor ihr. »Du kannst mich nicht zwingen, zu tun, was ich nicht tun will!« fauchte sie. »Und ohne mich kannst du es auch nicht.«
    »Aber du weißt, was ich will und was ich immer gewollt habe. Keine Hülsen mehr, Rowan, keine plumpen Illusionen. Das lebendige Fleisch, das in dir ist. Welches andere Fleisch auf der ganzen Welt wäre sonst bereit für mich – noch formbar und anpassungsfähig, wimmelnd von Millionen und Abermillionen kleiner Zellen, die es bei seiner Vervollkommnung nie gebrauchen wird? Welcher andere Organismus ist während der ersten paar Wochen seines Daseins auf das Tausendfache angewachsen und ist nun bereit, sich zu entfalten und zu verlängern und zu schwellen, da meine Zellen mit ihm verschmelzen!«
    »Geh weg von mir! Und geh weg von meinem Kind! Du bist ein stupides, irrsinniges Ding. Du wirst mein Kind nicht anrühren! Du wirst mich nicht anrühren!« Sie zitterte, als sei ihr Zorn so mächtig, daß er nicht mehr zu zügeln war.
    »Dachtest du, du könntest mich überlisten, Rowan?« fragte er mit seiner bedächtigen, geduldigen, wunderbaren Stimme, und seine schöne Gestalt blieb diesmal fest. »Mit deiner kleinen Darbietung vor Aaron und Michael? Dachtest du, ich könnte nicht in die Tiefen deiner Seele blicken? Ich habe deine Seele gemacht! Ich habe die Gene ausgewählt, die in dir sind. Ich habe deine Eltern ausgewählt, ich habe deine Vorfahren ausgewählt, ich habe dich gezüchtet, Rowan. Ich weiß, wo Fleisch und Geist sich in dir treffen. Ich kenne deine Stärke, wie niemand sonst sie kennt. Und ich habe immer gewußt, was ich von dir wollte. Und du wußtest es, als du die Akte gelesen hattest. Du hast Lemles Fötus gesehen, wie er schlummerte in seinem Kindbett aus Schläuchen und Chemiekalien. Du hast es gewußt! Als du aus dem Labor ranntest,

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