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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Namen tragen, oder man kann nach diesem Vermächtnis nichts erben. Und das Mädchen heißt Mayfair. Das habe ich gehört, als sie geboren wurde. Ihre Adoptivmutter ebenfalls. Ellie Mayfair, die heute hier war und sich in die Kondolenzliste eingetragen hat. Die wissen Bescheid. Die Leute wissen immer Bescheid, wenn es ums Geld geht.«
    »Aber Jerry, wenn es nun andere Dinge gibt, die Deirdres Tochter nicht weiß?« fragte Rita. »Warum war sie heute nicht hier? Warum wollte sie ihre Mutter nicht sehen?«
    Rita Mae, sie wollen mir mein Baby wegnehmen!
    Jerry antwortete nicht. Seine Augen waren blutunterlaufen. Der Bourbon gewann die Oberhand.
    »Daddy wußte sehr viel mehr über die Leute«, sagte er, und seine Zunge war schwer. »Mehr, als er mir je erzählt hat. Aber eins hat Daddy gesagt: daß sie recht hatten, Deirdre das Baby wegzunehmen und es Ellie Mayfair zu geben. Um des Babys willen. Und Daddy hat mir noch was anderes gesagt. Daddy hat gesagt, Ellie Mayfair könnte keine eigenen Kinder bekommen, und ihr Mann wäre darüber sehr enttäuscht und wollte sie verlassen, und da hätte Miss Carl sie angerufen und gefragt, ob sie Deirdres Baby nehmen wollten. ›Du brauchst Rita Mae von all dem nichts zu erzählen‹, hat Daddy gesagt, ›aber für alle Beteiligten war das ein Segen. Und der alte Mr. Cortland, Gott lasse ihn ruhen in Frieden, der hatte unrecht.‹«
     
    Rita Mae wußte, was sie tun würde. Sie hatte Jerry Lonigan noch nie im Leben angelogen. Sie würde ihm einfach gar nichts sagen. Am folgenden Nachmittag rief sie im »Monteleone Hotel« an. Der Engländer sei eben ausgezogen! Aber vielleicht sei er noch im Foyer…
    Rita Maes Herz pochte wild, während sie wartete.
    »Hier Aaron Lightner. Ja, Mrs. Lonigan. Bitte nehmen Sie sich ein Taxi; ich übernehme das Fahrgeld. Ich warte.«
    Der Engländer führte sie um die Ecke in die »Desire Oyster Bar«, ein hübsches Lokal mit Ventilatoren an der Decke und großen Spiegeln und offenen Türen zur Bourbon Street hinaus. Rita kam es exotisch vor, wie alles im French Quarter. Sie kam fast nie hierher.
    Sie setzten sich an einen Marmortisch, und sie nahm ein Glas Weißwein, weil der Engländer es vorgeschlagen hatte und weil es sehr hübsch klang. Was für ein gutaussehender Mann er war. Bei einem solchen Mann kam es auf das Alter nicht an; er war hübscher als mancher jüngere. Es machte sie ein bißchen nervös, so nah bei ihm zu sitzen. Und wenn seine Augen sie fixierten, schmolz sie hin wie ein Schulmädchen.
    »Sprechen Sie mit mir, Mrs. Lonigan«, sagte er. »Ich werde zuhören.«
    Sie wollte es langsam angehen, aber als sie einmal begonnen hatte, strömten die Worte nur so aus ihr heraus. Nicht lange, und sie weinte, und wahrscheinlich konnte er kein Wort verstehen. Sie gab ihm das alte, verknautschte Stückchen Karte. Sie erzählte von den Kleinanzeigen, die sie aufgegeben hatte, und daß sie Deirdre erzählt hätte, sie habe ihn nicht finden können.
    Dann kam der schwierige Teil. »Es gibt Dinge, die das Mädchen in Kalifornien nicht weiß! Das Haus gehört ihr, und vielleicht werden die Anwälte ihr das sagen, aber was ist mit dem Fluch, Mr. Lightner? Ich setze mein Vertrauen in Sie; ich erzähle Ihnen Dinge, von denen mein Mann sagt, daß ich sie keiner Menschenseele weitersagen darf. Aber wenn Deirdre Ihnen damals vertraut hat, dann soll mir das genügen. Und ich sage Ihnen, der Juwel und das Haus sind verflucht.«
    Und sie erzählte ihm schließlich alles. Alles, was Jerry ihr erzählt hatte. Alles, was Red je gesagt hatte. Sie erzählte ihm alles, alles, worauf sie sich besinnen konnte.
    Und das Komische war, daß er keinen Augenblick lang überrascht oder schockiert war. Immer wieder versicherte er ihr, daß er sein Bestes tun werde, dem Mädchen in Kalifornien alle diese Informationen zu übermitteln.
    Als alles gesagt war und sie schließlich vor dem unberührten Weinglas ihre Nase putzte, fragte der Mann sie, ob sie seine Karte behalten und ihn anrufen wolle, falls sich bei Deirdre irgendeine »Veränderung« erkennen ließe. Wenn sie ihn nicht erreichen könnte, sollte sie eine Nachricht hinterlassen. Die Leute, die sich am Telephon meldeten, würden alles verstehen. Sie brauchte nur zu sagen, die Sache stehe in Zusammenhang mit Deirdre Mayfair.
    Sie nahm ihr Gebetbuch aus der Handtasche. »Geben Sie mir die Nummern noch einmal«, sagte sie, und dazu notierte sie »im Zusammenhang mit Deirdre Mayfair«.
    Erst als sie alles aufgeschrieben

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