Hexentochter
hätte nicht übler aussehen können.
Ich bin ein Ungeheuer, wie Sir William. Vielleicht hat das Schwarze Feuer auch ihn verbrannt. Vielleicht hat mein Vater es schon vor Jahren beschworen, und Sir William trägt die Narben bis heute.
Tränen liefen ihm übers Gesicht. Sein Körper bebte vor Trauer, Wut und tiefer, verzweifelter Demütigung.
Holly darf mich nie so sehen. Sie würde vor mir zurückweichen, sich wahrscheinlich übergeben müssen. Das könnte ich nicht ertragen.
»Allmählich bekommst du einen Eindruck davon, wozu die Cahors fähig sind«, sprach Jean de Deveraux' Stimme in Jers Kopf. »Eh bien, so habe ich auch ausgesehen, nachdem meine Gemahlin mich verraten hatte. Deshalb liebe und hasse ich meine Isabeau. Und deshalb musst du die herrschende Cahors-Hexe töten, die als Holly Cathers bekannt ist. Meine Isabeau kann Besitz von ihr ergreifen, und nun hat sie uns beide betrogen. Also müssen sie sterben, die eine mit der anderen.«
»Nein«, krächzte Jer. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon nicht mehr gesprochen hatte. »Holly hat mich nicht verraten.«
»Oh doch«, beharrte Jean. »La femme Holly wusste, dass Deveraux und Cahors - pardon, on dit >Cathers< -, wenn sie miteinander verbunden sind, unberührt im Schwarzen Feuer stehen können, das deine Familie zum vergangenen Beltane-Fest beschworen hat. Wenn ihr aneinander festgehalten hättet, hättet ihr beide einen ganzen Mond lang in den Flammen stehen bleiben können, wenn das euer Wunsch gewesen wäre.
Doch sie hat sich im Feuer von dir entfernt, nicht wahr? Mon ami, sie hat dich den Flammen überlassen - wozu Isabeau sich auch gegen mich verschworen hatte -, obgleich sie wusste, dass du so leiden würdest.«
»Ihre Cousinen haben sie weggezerrt!«, krächzte Jer. »Sie konnte nichts tun.«
»Wie jämmerlich, dass du dich selbst so schlecht belügst«, erwiderte Jean verächtlich. »Sie ist die stärkste Hexe in der Cahors-Linie seit Catherine, Isabeaus Mutter. Wenn sie dich wirklich hätte retten wollen, wäre es ihr gelungen.«
»Nein...«, flüsterte Jer, doch er konnte darauf nichts erwidern; tief in seiner zischelnden, überhitzten Deveraux-Seele glaubte er Jeans Worten.
Dann hatte er eine neue Vision: Er stand mit Holly am Strand in Seattle. Die Wellen warfen sich gegen ihre Knöchel, dann gegen die Unterschenkel, über die Knie. Doch er hielt Holly fest umschlungen, sie küsste ihn innig und schmiegte den ganzen Körper an seinen. Sie begehrte ihn, hungerte nach ihm …
...und die Wellen tosten und brachen sich um sie herum. Holly hielt ihn fest und presste die Lippen auf seinen Mund. Das eiskalte Wasser zerrte und zog an ihnen.
Sie wurden aufs Meer hinausgewirbelt, davongetragen von den schäumenden Wellen und den tiefen Tälern dazwischen. Jer kämpfte darum, den Kopf über Wasser zu halten, das brauste wie eine Achterbahn. Doch Holly klammerte sich an ihm fest und zog ihn hinunter, immer tiefer; ihr Mund lag auf seinem, und er konnte nicht atmen. Sie raubte ihm den Sauerstoff. In seiner Panik versuchte er, sich zu befreien, doch er kam nicht von ihr los. Sie ertränkte ihn.
»Sie wird dein Tod sein, wenn du sie nicht zuerst tötest«, flüsterte Jean. »Isabeau wird alles tun, um mein Leben auszulöschen, auch durch dich, wenn es sein muss. Sie kann nicht ruhen, bis ich ausgelöscht bin.«
Und dann sprach James, als sei er ein Teil dieser Vision, als existiere er innerhalb wie auch außerhalb von Jers Geist: »Vergiss nicht, wer deine Freunde sind, Deveraux.«
Jean fuhr fort: »Und vergiss niemals, niemals, deine Feinde. In der Welt der Hexerei ziehen Blutfehden sich über Jahrhunderte hin. Mademoiselle Holly will dich vielleicht lieben. Vielleicht kann sie sich sogar einreden, dass sie dich liebt. Doch sie ist die lebende Verkörperung des Hauses Cahors, und sie ist dein Todfeind.«
Holly und Amanda: Seattle, im Oktober
Es war eine sehr dunkle und stürmische Nacht kurz vor Samhain, und Onkel Richard war betrunken.
Holly und Amanda waren eben vom Zirkel nach Hause gekommen. Beide hatten ihre Tarnumhänge abgelegt und ihn im Wohnzimmer vorgefunden, wo er im Dunkeln saß und die Mini-Schokoriegel aß, die sie für die Kinder für Halloween gekauft hatten. Er versuchte nicht einmal mehr, etwas zu verbergen, und trank den Scotch aus der Flasche. In den ersten Tagen nach Tante Marie-Claires Tod hatte er sich Drinks gemixt und sie immer stärker gemacht. Dann hatte er sich angewöhnt, Whisky pur aus dem Schnapsglas zu
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