Hexentochter
es einmal berührt und sehr darüber gestaunt, wie seidig es sich unter ihren Fingern angefühlt hatte.
Normalerweise war er munter und jovial, jetzt aber ernst und nüchtern.
Er spürt es auch, dachte sie.
José Luis hatte ihr das älteste Mitglied seines Covens als »Senor Alonzo, unser Wohltäter, unsere Vaterfigur« vorgestellt.
Alonzo schnaubte amüsiert, streckte Nicole jedoch die Hand hin. Sie ergriff sie, und mit einer geschickten Bewegung verdrehte er ihre Hand so, dass er den Handrücken küssen konnte. Er ließ sie rasch wieder los und trat zurück. Alles an diesem Mann drückte Anmut und Eleganz aus.
Armand war ihr »Gewissen«, hatte José Luis ihr erklärt. Seine dunklen Augen funkelten, und seine Lippen bildeten einen harten, schmalen Strich. Er hatte etwas Finsteres, Gefährliches, das an einen Schurken aus einem alten Schwarz-Weiß-Film erinnerte.
Pablo war José Luis' kleiner Bruder. Er wirkte jünger als Nicole selbst, wie ungefähr vierzehn, und er war sehr schüchtern.
Als ihr alle vorgestellt worden waren, hatte sie gedacht: Was für ein kunterbunter Haufen!
Und Pablo hatte leise und auf Englisch mit starkem Akzent entgegnet: »Aber wir erledigen jede Aufgabe.«
Auf ihren verblüfften Blick hin lachte Philippe leise. »Pablo hat Fähigkeiten, die uns übrigen nicht gegeben sind.« Der Junge errötete nur noch heftiger und starrte weiterhin auf seine Schuhe hinab.
»Und wer bist du?«, fragte José Luis schließlich.
Nun war sie es, die errötete. »Ich heiße Nicole Anderson. Ich bin nur... ich ... ich mache eine Spanien-Reise.«
»Du bist sehr weit weg von zu Hause«, bemerkte José, der sie kritisch musterte. »Und du hast Hexenblut. Ich bezweifle ernsthaft, dass du eine... Touristin bist, mi preciosa.«
Sie nickte, und Tränen brannten in ihren Augen. »Ich... ich stecke in Schwierigkeiten«, brachte sie mühsam heraus. »Großen Schwierigkeiten.«
»Mit einem Hexer«, half Pablo nach.
Nicole nickte. Sie hatte keine Ahnung, ob sie ihnen sagen sollte, was los war. Außerdem fürchtete sie, sie könnte diese Leute in Gefahr bringen. »Ich... ich habe solche Angst.«
José Luis beruhigte sie sofort. »Está bien. No te precupes, bruja. Bei uns bist du in Sicherheit. Du kannst dich unserem Coven anschließen.«
»Ich will aber keinem Coven angehören«, protestierte sie unwillkürlich.
José Luis lachte. »Dazu ist es ein bisschen zu spät.«
In diesem Augenblick war Philippe vorgetreten und hatte erklärt: »Ich werde auf dich achtgeben, Nicole.«
Und das hatte er seither getan. Er war es, der Banne um sie legte, die Suchzauber von ihr ablenkten. Er vergewisserte sich, dass sie genug aß, wenn sie irgendwo Pause machten. Und er wachte bei Nacht über sie, wenn sie sich hinlegte, beobachtete die Luft um sie herum und sorgte dafür, dass sie nie in der Nähe eines Fensters schlief.
Er hatte sie offensichtlich lieb gewonnen...
... und sie ihn.
Jetzt, auf den staubigen Straßen von Madrid, verstärkte sich das Gefühl, dass sie gejagt wurden, mit der Dunkelheit. Nicoles Sinne schrien ihr zu, dass jemand - oder etwas - sie schon fast eingeholt hatte.
»Philippe hat recht. Ich glaube, wir sollten gehen«, verkündete Pablo. »Hier ist es zu gefährlich geworden. Wir können uns an die französische Grenze zurückziehen. Dort haben wir Freunde.«
Die anderen begannen zu murmeln und ihm leise zuzustimmen.
Nicole schüttelte den Kopf, trat zurück und entzog Philippe ihre Hand. »Ich kann nicht mit euch kommen. Ich würde ... Ich will nur nach Hause. Ich hätte gar nicht erst weggehen dürfen.« Kleinlaut fügte sie hinzu: »Das war sehr feige von mir.«
Er nickte mitfühlend. »Das verstehe ich, aber im Moment geht es eben nicht. Wenn es für dich sicher ist, werden wir tun, was wir können, um dich nach Hause zu begleiten.«
»Bis nach Seattle?«, krächzte sie.
Sein Grinsen wurde breiter. »Ja, sogar bis nach Seattle.« Er klatschte in die Hände. »Bueno, ándale«, sagte er zum Rest des Zirkels. »La noche está demasiado peligrosa.« Die Nacht ist zu gefährlich.
Mehrere Mitglieder des Zirkels bekreuzigten sich. Nicole war erstaunt und wollte sie schon danach fragen, als die Gruppe sich in Bewegung setzte.
Einhellig schlichen sie durch die Stadtmitte von Madrid. Wie ein Mann bogen sie in Seitenstraßen ab, ohne ein Wort zu wechseln oder je zu zögern. Wie im Traum ließ Nicole sich inmitten der fünf verhüllten Gestalten mittreiben. Philippe hielt wieder ihre Hand,
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