Hexentochter
überschritten.«
Holly fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sie hatte Durst und war noch ziemlich verschlafen. Sie strich sich mit den Fingern die Locken aus dem Gesicht und lehnte sich ans Kopfteil ihres Bettes.
»Wer sind Sie?«, fragte sie die Frau.
»Ich komme vom Mutterzirkel«, antwortete sie. »Ich bin Anne-Louise Montrachet. Du kannst mich Anne-Louise nennen.«
Holly blickte auf ihre Hände hinab und sah, dass sie zitterten. »Niemand vom Mutterzirkel hat je Kontakt zu uns aufgenommen«, sagte Holly. »Was immer das für ein Zirkel sein soll.«
»Wir sind ein sehr altes und bedeutendes Bündnis vieler Coven«, erklärte die Frau. »Die Gründung des Mutterzirkels war eine Reaktion auf den Obersten Zirkel der Hexer.« Sie sah Holly ernst an. »Die Deveraux nehmen in dessen Reihen eine bedeutende Stellung ein.«
Holly hob den Blick in der Hoffnung, endlich Hilfe gefunden zu haben. Sie fragte: »Wie treten wir da bei?«
Anne-Louise zuckte mit den Schultern. »Deine Familie gehörte schon immer zu unseren Mitgliedern, seit der Gründung des Mutterzirkels. Wir... bedauern sehr, dass wir nicht früher Kontakt zu euch aufgenommen haben.« Sie wurde bleich. »Wir waren völlig überlastet.«
»Wir haben hier ums Überleben gekämpft«, erwiderte Holly schlicht. »Und leider nicht immer erfolgreich.«
Anne-Louise nickte. »Unser Beileid zu euren Verlusten.« Sie verschränkte die Arme, schlug ein Bein über und fügte hinzu: »Allen euren Verlusten, auch zum Tod des Hexentiers Hecate.«
Holly errötete. Dann reckte sie das Kinn und sagte: »Zwei meiner Anhänger sind von Michael Deveraux entführt worden. Ich würde alles darum geben, sie zurückzubekommen.«
»Wir haben Maßstäbe. Wir achten Grenzen«, mahnte Anne-Louise. »Wir opfern keine Mitglieder eines Covens, auch keine tierischen Gefährten.«
Holly bewegte hilflos die Hände. »Das wusste ich nicht...«
»Mit euch Cahors hat es schon immer Probleme gegeben«, fiel Anne-Louise ihr ins Wort. »Ihr seid unberechenbar. Und skrupellos.«
»Bis vor einem Jahr wusste ich nicht einmal, dass ich eine Hexe bin«, protestierte Holly.
»In deinen Adern fließt Hexenblut«, schnitt Anne-Louise ihr das Wort ab. »Die meisten Hexen wären allerdings unfähig gewesen, einen Gefährten zu opfern. Sie hätten gespürt, wie falsch das ist.« Sie schloss die Hand zur Faust und legte sie an ihr Herz.
»Tja, es war auch falsch von euch, uns allein gegen Michael Deveraux kämpfen zu lassen«, erwiderte Holly. »Ich muss auf die Toilette. Und ich sterbe vor Durst.«
»Amanda kommt noch nicht zurück. Erst, wenn ich den Bann von deiner Tür nehme«, sagte die Frau. »Und du wirst schön hier sitzen bleiben und
mir zuhören.«
Holly funkelte sie an. Die Frau reckte das Kinn. Ihr regloses Duell dauerte ein paar Sekunden. Dann seufzte die Frau schwer.
»Also schön. Du bist nicht meine Gefangene.«
Wortlos schlüpfte Holly aus dem Bett und ging auf wackligen Beinen zur Tür. In Wahrheit war sie schockiert über die Neuigkeit, dass es überhaupt einen Mutterzirkel gab, dem sie Rede und Antwort stehen musste. Und darüber, dass diese Leute sie und die anderen so lange sich selbst überlassen hatten, ohne ihnen zu Hilfe zu kommen.
Aber wenn man etwas tut, was ihnen nicht passt, sind sie sofort zur Stelle.
Sie ging zur Toilette und tappte dann zurück in ihr Zimmer. Die Frau war aufgestanden und sammelte ihre Sachen ein: ein schwarzes Schultertuch, eine kleine Reisetasche, eine Handtasche.
»Du gehst schon?«, fragte Holly. »Wirst du uns denn nicht gegen Michael Deveraux unterstützen?«
»Doch. Das werde ich«, erwiderte Anne-Louise knapp. »Ich habe mir ein Zimmer in einem Hotel genommen, und ich muss meine Kräfte sammeln, Allein«, fügte sie betont hinzu. »Ich will ihn nicht merken lassen, dass ich hier bin. Er soll davon ausgehen, dass ihr immer noch auf euch allein gestellt seid.«
Holly wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Sie fragte: »Aber ihr werdet uns helfen, oder?«
Die Frau zögerte. »Soweit wir können«, antwortete sie.
Holly verschränkte die Arme und sah die andere Hexe mit hartem Blick an. »Du hast Angst vor ihm.«
»Wie jede kluge Hexe.«
Holly konnte ihre Gedanken beinahe lesen. »Du wolltest nicht hierherkommen. Du hast darum gebeten, das nicht tun zu müssen.«
Die Frau neigte den Kopf. »Auch das stimmt.« Sie räusperte sich. »Ich werde jetzt mein Hotelzimmer beziehen und mein Ritual abhalten. Ich melde mich in
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