Hexentochter
blickte auf seine Hände hinab und sah zu, wie das graue, faulige Fleisch von seinen Knochen fiel und weiche, neue Haut erschien. Er berührte sein Gesicht und spürte sie auch dort.
In großen Klumpen löste sich sein alter Körper auf.
Er wurde wieder zum Mann - kraftstrotzend und lebendig.
Endlich. Endlich!
»Wow«, flüsterte Michael beeindruckt. Sein Wichtel schnatterte, zeigte mit dem Finger auf Laurent und hüpfte aufgeregt herum.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass ich wieder als vollwertiger Mann auf dieser Ebene erscheinen würde?«, sagte Laurent tadelnd zu Michael, obwohl er selbst zutiefst schockiert war. Er hatte nicht wissen können, ob das je wirklich geschehen würde.
Er trat einen Schritt vor, dann noch einen. Seine uralte Kleidung fiel von ihm ab, und er war nackt.
Zu seinem vielfachen Urenkel sagte er: »Hol mir Kleider.«
Michael rannte los, um seinem Befehl nachzukommen, und sein Gefährte hüpfte ihm hinterher.
Laurent schloss die Augen und hob den Arm. Er flüsterte: »Fantasme.«
Der mächtige Bussard nahm Gestalt und echtes Gewicht an, als er auf dem Arm seines Herrn und Meisters landete. Seine Glöckchen klimperten, und er stieß einen leisen Schrei aus.
Laurent öffnete die Augen und sah den Vogel voller Zuneigung an.
»Mon coeur«, sagte er. »Mein Herz. Komm mit mir, mein Schöner, und wir werden jagen wie in alten Zeiten.«
Der Vogel krächzte zur Antwort.
Michael kehrte mit Kleidung für ihn zurück - ein schwarzer Pullover, eine schwarze Hose und Stiefel -, und Laurent genoss das Gefühl frischer, neuer Gewänder an seinem neuen Leib. Er bemerkte, dass er hungrig war. Doch der Hunger würde warten müssen.
Er hatte eine Hexe zu töten.
Er schritt an Michael vorbei, der rief: »Wo geht Ihr hin?«
»Ich erledige deine Arbeit«, warf er über die Schulter zurück, ohne innezuhalten.
Seine starken Oberschenkel trugen ihn rasch die Treppe hinauf. Er zögerte, unsicher, wo er sich befand, doch der Bussard schwang sich von seinem Arm und flatterte einen Flur entlang. Fantasme brauchte nur eine Minute, um Laurent den Weg zur Deverauxschen Haustür zu zeigen.
Auf seinen leichten Wink hin öffnete sich die Tür. Als er über die Schwelle trat, war er versucht, das ganze Haus in ein flammendes Inferno zu verwandeln und sich Michael Deveraux ein für alle Mal vom Hals zu schaffen. Doch er hielt sich vor Augen, dass Michael trotz allem ein starker Hexer war, der die stolze Geschichte seiner Familie kannte und danach strebte, deren Ehre wiederherzustellen.
Er ist gar nicht so übel, dachte Laurent.
Er ist nur nicht ich.
Der Mond, der auf ihn herabschien, war beinahe voll. Michael hatte gut daran getan, das Treffen mit Holly Cathers auf eine Vollmondnacht zu legen, morgen Nacht. Wenn er sie dann tötete, würde seine Macht nur umso mehr wachsen.
Doch Laurent wollte nicht so lange warten.
Er schnippte mit den Fingern und rief laut: »Magnifuque!«
Wolken brodelten und schoben sich vor den gelben Mond, Sterne flackerten und bebten. Ein Flammenbogen erschien am Himmel, und darauf nahmen die gewaltigen Hufe von Laurents Schlachtross Magnifique Gestalt an. Es folgten seine Beine, dann sein restlicher Körper. Flammen schossen aus seinen Nüstern und tanzten auf seiner Mähne und seinem Schweif. Der Hengst galoppierte vom Himmel herab, stampfte mit dem linken Vorderhuf auf den Boden und neigte den Kopf vor Laurent.
»Beim gehörnten Gott, wie habe ich dich vermisst«, sagte Laurent inbrünstig. Dann stieg er ohne Sattel auf den Rücken seines Pferdes. Fantasme ließ sich auf seiner Schulter nieder, und das Trio galoppierte durch die Straßen von Michaels Stadt, Seattle.
Der Himmel brach auf, und Regen prasselte herab. Dampf stieg von Magnifiques schwerem, bemuskeltem Leib auf, und Laurent warf den Kopf zurück und lachte. Dann presste er seinem Streitross die Fersen in die Seite, und sie flogen immer schneller dahin, bis die Hufe des Pferdes den Asphalt zischelnd zum Schmelzen brachten.
Fantasme zeigte ihm den Weg. Das finstere Oberhaupt der Deveraux ritt stundenlang durch die Nacht, und dann...
... stand er vor dem Haus, das die Hexe bewohnte.
Ohne einen Augenblick zu zögern, galoppierte er durch den Vorgarten auf die vordere Veranda zu.
Er rechnete mit zahlreichen Bannen und zauberte im Reiten, um einen nach dem anderen zu brechen. Er war überrascht, als er bald alle wirkungslos gemacht hatte, denn er hätte von der jungen Frau einen härteren Kampf erwartet. Auf seine
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