Hexentraum
Welch süßer Duft. Und du, Satan, weiche! Denn es naht das Gericht des Herrn.
»Holly«, befahl er ihr. »Holly, hör mir zu. Hilf mir, diese Dämonen auszutreiben.«
Einen Moment lang sah er etwas in ihren Augen aufleuchten, das er nur als Begreifen bezeichnen konnte. Dann stießen die Dämonen sie laut brüllend wieder hinab.
»Du bekommst sie nicht, Priester! Wir werden diesen Körper nicht verlassen. Wir haben es uns hier... gemütlich gemacht«, zischte eine der Stimmen.
»Wie viele seid ihr?«, fragte Armand.
»Hunderte.«
»Dann werden Hunderte von euch sterben.«
Holly saß auf ihrem Hocker und beobachtete überrascht, wie der kleine rote Dämon wegging. Dabei weinte er den ganzen Weg über. Er tat ihr beinahe leid, doch sie erinnerte sich daran, dass er sie vorhin angespuckt hatte, also hatte sie kein Mitleid mehr mit ihm. Nein, sie war froh, dass er weg war. So kreischte eine Stimme weniger in ihre Ohren, und ein Körper weniger versperrte ihr die Sicht.
Dann hörte sie einen Mann, der ihr etwas befahl und sie bat, ihm zu helfen. Er wollte die Dämonen vertreiben. Die Dämonen waren damit beschäftigt, nach draußen zu schauen und mit dem Mann zu reden. Sie sahen nicht nach Holly. Sie bewegte den kleinen Zeh, und diesmal bemerkte es niemand, niemand kümmerte sich um sie.
Sie saß wieder sehr still. Gleich würde sie versuchen, ihren ganzen Fuß zu bewegen.
Armand nahm das Weihwasser und streute Salz hinein. Angeblich fürchteten Dämonen Salzwasser - es tat ihnen weh. Das jedenfalls hatte er gelernt. Jesus hatte Dämonen aus einem Mann ausgetrieben und in eine Schweineherde einfahren lassen. Und als die Schweine sich in den See stürzten, dessen tiefere Schichten aus Salzwasser bestanden, waren die Dämonen gestorben. So stand es jedenfalls geschrieben. Im tiefsten Herzen musste er sich eingestehen, dass er keine Gewissheit darüber hatte. Aber darum geht es ja bei alledem: um Glauben.
Er nahm die Wasserschüssel und ging zu Holly hinüber. Er schaute auf sie hinab. Ihre Hände und Beine waren mit Seilen gefesselt - das sollte man niemals tun, wenn man einen Besessenen exorzierte, aber an diesem ganzen Ritual war nichts normal. Sie trug auch magische Fesseln, die Alex geschaffen hatte. Das war sinnvoll. Holly wusste genauso viel wie die anderen, praktizierte dieselbe Magie, kannte dieselben Zaubersprüche. Alex war zumindest ein bisschen anders, und seine Magie ebenfalls.
Armand goss das Wasser so aus, dass es ein Kreuz auf ihren Kopf zeichnete. Das tat er drei Mal. Dämonen kreischten, und er roch Schwefel und brennende Haut. Ein Dutzend Dämonen schoss aus ihr hervor, und er ließ sie ziehen. Sie waren dem Tode nahe - das erkannte er daran, dass sie waberten wie eine Fata Morgana. Wenn sie es überhaupt zur Tür schafften, würde Philippe sich um sie kümmern.
Armand stellte die Schüssel hin und griff nach einer anderen, die mit Kräutern gefüllt war. Er drückte den Daumen in die getrockneten Kräuter und salbte Holly damit, indem er erst ihre Stirn, dann ihr Kinn, dann das rechte und schließlich das linke Augenlid berührte.
»Pax tibi.« Friede sei mit dir.
»Sei gesegnet«, wollte Holly antworten, doch sie tat es nicht. Sie fürchtete sich. Es stank nach Tod. Weitere Dämonen waren fort, doch diejenigen, die noch da waren, wurden immer zorniger und gefährlicher. Sie zuckte mit dem linken Fuß. Aber keiner von ihnen merkte es. Sie atmete langsam aus, und niemand drehte sich nach ihr um.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Vielleicht sollte sie sogar zu sprechen versuchen. Vielleicht könnte das dem Mann helfen. Ihr Herz begann zu pochen, so laut und so schnell. Sie öffnete den Mund, und niemand hielt sie auf. Sie ließ die Zunge über die Zähne gleiten. Alle Dämonen hüpften vorn auf und ab, schrien herum und brüllten den Mann draußen an.
Sie hassten ihn, und Holly konnte ihren Zorn spüren. Er brodelte um sie herum, so dass ihr Herz noch schneller schlug. Er machte ihr Angst, und zugleich freute sie sich darüber. Es war so lange her, dass sie zuletzt irgendetwas anderes als Angst empfunden hatte. Ich werde es tun!
»Sei g...« Ein Dutzend Dämonen stürzte sich auf sie. Einer presste ihr eine alte graue Hand auf den Mund, während die Übrigen sie schlugen und bespuckten. Sie flüsterten ihr abscheuliche Dinge ins Ohr und sagten ihr, dass sie nichts war, nichts und niemand. Bestimmt haben sie recht. Sie müssen es schließlich wissen.
Ein verschrumpelter,
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