Hexenwahn
eingetroffen. Ich kannte die meisten Beamten und wies sie an, die Mordkommission zu benachrichtigen. »Natürlich, Sir.«
Wir gingen zum Bentley. »Hast du schon einen Plan?« fragte der Chinese mich.
»Einen halben«, gab ich ehrlich zu und öffnete die Wagentür. »Wir werden ins Büro fahren, und dann möchte ich mich mit Bill Conolly in Verbindung setzen. Wer weiß, vielleicht hat er mehr Glück gehabt als wir.«
»Das kann man nur hoffen«, erwiderte Suko und schlug den Wagenschlag zu.
***
»Das ist sie«, hörte Bill Conolly die Stimme des Maklers. »Das ist Samantha, meine liebe Frau.« Spott klang aus seinen Worten, und er kicherte hämisch.
Im nächsten Augenblick, Bill hatte die Überraschung noch nicht überwunden, erhielt er einen Schlag in den Nacken. Der Schmerz trieb ihm das Wasser in die Augen, und die Wucht schleuderte ihn in den Raum hinein.
Es war schon ein Wunder, daß sich der Reporter auf den Beinen hielt, er mußte sich dabei allerdings mit beiden Händen auf dem Boden abstützen, um nicht zu fallen.
Als er hinter sich das Knallen der Tür hörte, stemmte er sich wieder hoch.
»So bleib stehen, Bill Conolly!« befahl der Makler. »Und sieh dir meine Frau ruhig an. Ist sie nicht hübsch, so an einen Pfahl gebunden? Satans Kraft steckt in ihr, sonst wäre sie nämlich schon längst gestorben!«
Die Worte des Mannes klirrten vor Haß. Bill tat, was der Makler verlangte. Er schaute die Frau an.
Der Anblick traf ihn bis ins Mark. Bill hatte schon so manches Schreckliche gesehen, aber das war verdammt zuviel. Die Hexe zeigte Spuren von Mißhandlungen. Ihre Haut war an einigen Stellen verfärbt, manchmal auch geschwärzt, und das Bild erinnerte den Reporter wieder an die Malereien aus dem späten Mittelalter. In zahlreichen Veröffentlichungen konnte man diese Bilder und Holzschnitte betrachten, die in ihrem Realismus auch noch heute überzeugten.
Das schlimmste aber war die Schere, die im Körper der Hexe steckte. Jemand mußte einen rasenden Haß auf die Frau gehabt haben, wahrscheinlich der eigene Ehemann. Und trotz dieser Schere lebte die Hexe. Sie war nicht tot, denn sie konnte nicht sterben, weil sie unter dem Schutz des Teufels stand. Samantha trug ein dunkelrotes Kleid, das sicherlich einmal teuer gewesen war. Jetzt hing es in Fetzen am Körper herab, es bedeckte kaum noch Hüfte und Beine. »Na, Bill? Genug gesehen?« höhnte der Makler. Conolly drehte sich um.
Er blickte in ein spöttisch lächelndes Gesicht und in die Mündung einer Pistole. »Ja, ich habe genug gesehen. Fast schon zuviel, nicht wahr?«
»Richtig, Bill Conolly. Du hast zuviel gesehen, denn du warst zu neugierig. Zudem gehörst du nicht zu uns, das ist ein weiterer Fehler, den wir aber ausbügeln werden.«
»Wir?« fragte Bill.
Die Lippen des Maklers verzogen sich zu einem Lächeln. Doyle fühlte sich sehr sicher. »Natürlich wir, oder glaubst du, mein Freund, ich bin allein? Ich habe dich gesehen, wie du mitgeholfen hast, die Hexe zu befreien, das allein war dein Todesurteil. Ebenso holen wir uns die anderen beiden, die dir geholfen haben.«
»Es sind Polizeibeamte.«
»Was macht das schon? Wir werden unseren Plan durchsetzen, das haben wir uns geschworen. Lange genug ist geredet worden. Niemand wollte an die Gefahr der Hexenplage glauben, aber sie existiert, das steht fest. Schau dir das Weib da an.«
»Ich bestreite auch nicht, daß Hexen eine Gefahr bedeuten und daß es finstere Mächte gibt, die in unser Leben eingreifen, aber es dürfen keine Unschuldigen umkommen. Celia war keine Hexe, das steht fest.«
»Sie hat aber mit ihnen sympathisiert«, erklärte der Anführer der Hexenjäger.
»Nein, auch das nicht.« Bill zuckte zusammen, weil er seinen Kopf zu heftig bewegt hatte. »Sie hat nicht auf ihrer Seite gestanden, denn sie wollte ihre Freundin noch retten, die tatsächlich zu einer Hexe geworden ist. Sie hätten sich besser informieren sollen, Doyle, und nicht einfach wie ein Berserker drauflosschlagen.«
Der Makler hob die Schultern. Zynismus schwang in seiner Stimme mit, als er entgegnete: »Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne, mein Lieber. So war es schon immer, so wird es immer sein. Man muß das Ganze sehen und darf sich nicht an Kleinigkeiten aufhalten.«
»Menschenleben sind keine Kleinigkeiten.«
»Das ist Ansichtssache.«
»Tut mir leid«, sagte Bill. »Ich kann Ihrer Philosophie nicht folgen. Ich habe gelernt, ein Menschenleben zu achten. Dabei ist es egal, welcher Hautfarbe
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