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Hexenzorn

Titel: Hexenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Pratt
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Stoßgebet zum Himmel, denn es waren nur noch ein paar Stunden, bis Mutex im Park sein würde. Sie mussten sich mit Ch’ang Hao treffen, vorausgesetzt, er war mit der Schlange im Gepäck aus Kolumbien zurück, und Marla musste ihren Schutzzauber wirken. Und dann müsste sie sich schließlich um Mutex kümmern. Nichts von alledem war möglich, solange sie durch diese Auswahl alternativer Welten reisten.
    Die Kälte verschwand wieder, und die plötzliche Temperaturveränderung ließ Marla zunächst noch mehr zittern. B., der in Richtung der Stadt schaute, stieß einen heiseren Schrei aus und begann zu wimmern. »Marla«, sagte er.
    Marlas Intuition verriet ihr, was sie da wohl gleich sehen würde, und zögernd drehte sie den Kopf.
    Die Stadt sah genauso aus wie die, aus der sie eigentlich gekommen waren, und sie erkannte den Coit Tower und die Transamerica Pyramid. Doch sie sah auch Rauch aufsteigen, und etwas mit der satten grünen Farbe von Dschungelblättern
kam immer wieder kurz zwischen den Gebäuden zum Vorschein. Ein Geruch von aufgewühlter Erde, verrottenden Pflanzen und warmem Blut lag in der Luft. Das grüne Etwas war fast so groß wie die höchsten Wolkenkratzer, und mit einem donnernden Knall löste sich ein Wohnhaus in eine Lawine aus Glas und Beton auf.
    Tlaltecuhtli drängte sich durch die gerade in die Skyline gerissene Lücke. Marla traute ihren Augen nicht: Kein Wesen dieser Größe dürfte sich an Land bewegen können. Es sah aus wie ein dunkler, grüner Berg, die Augen mehrere Meter im Durchmesser und pechschwarz. Tlaltecuhtli richtete sich auf und überragte dabei die Wolkenkratzer ringsum; Marlas Sinn für natürliche Größenverhältnisse brach endgültig zusammen - die Szene sah aus, als habe ein Kind sein Haustier auf ein Modell der Stadt losgelassen. Tlaltecuhtli öffnete ihr Maul, Marla sah Fangzähne, so groß wie Häuser, und dann rote Flecken in der endlosen Finsternis ihres Schlunds: Sie spie Kolibris aus, einen ganzen Schwarm - nein, einen Teppich, einen Zauber, eine Katastrophe. Die Kolibris breiteten sich über die Gebäude aus wie blutroter Nebel, und während sie noch flatterten, verwandelten sie sich in Menschen, in Krieger, mit leuchtenden Federn und goldenen Armreifen geschmückt, bewaffnet mit Schwertern. Die Krieger ergossen sich in die Straßen, mit der Absicht, Herzen für ihre Götter zu ernten.
    »Ihr Schlund führt ins Land der Toten«, flüsterte Marla, und sie wusste, dass sie zu spät waren, wieder zuhause, in der Welt der dritten Möglichkeit. Mutex’ Plan war gelungen, er hatte seinen Monstergott wiedererweckt. Die Welt war verloren. Wahrscheinlich täte sie besser daran, sich gleich ins Meer zu stürzen, denn die Alternative war, ihr Herz auf
Mutex’ Altar als Opfer darzubringen, vielleicht im Palace of Fine Arts oder auf den Stufen der City Hall oder ganz oben auf Strawberry Hill - welchen Ort auch immer er sich für seinen Tempel ausgesucht hatte. Aber Marla wollte sich nicht ins Meer stürzen. Sie würde kämpfen und sämtliche überlebenden Magier zusammenrufen, selbst wenn sie nur Schüler oder Trickbetrüger waren. Sie würde sie dazu bringen, Seite an Seite zu kämpfen, auch wenn das leichter gesagt als getan war. Egal. Mutex würde nicht gewinnen. Nicht, ohne selbst ganz erheblich zu leiden.
    B. weinte.
    Tlaltecuhtli drehte ihren riesigen Kopf und blickte in ihre Richtung. Das Monster sah sie, obwohl sie nur winzige Punkte auf einer kleinen Insel waren. Das Erdmonster duckte sich, und dann sprang es, hoch in die Luft und direkt auf sie zu. Marla blickte in den Himmel, aus dem das Verderben auf sie zustürzte wie ein großer, grüner Felsen.
    Dann flackerte alles um sie herum, und der Himmel war nur noch blau. Sie blickte auf die Stadt und sah keinen Rauch, keine Monster. Zitternd rappelte sich B. neben Marla wieder auf die Beine. »Das … das war nicht unser Zuhause«, sagte er.
    »Nein«, erwiderte Marla, »anscheinend nicht. Aber es war das, was passieren könnte, wenn wir nicht schnell genug sind, wenn wir versagen.«
    »Glauben Sie, das ist es jetzt? Sind wir jetzt wieder da?«
    »Sieht aus wie die Welt, die wir verlassen haben«, antwortete Marla. »Lassen Sie uns nach einer Fähre suchen.«
    Auf der Insel tummelten sich Touristen, und sie entdeckten ein kleines Schiff, das sich gerade bereit zum Ablegen machte. Marla und B. schlichen sich ins hintere Ende der
Fähre, wo sie sich dicht aneinanderkauerten. Es war zwar nicht mehr so kalt wie in der

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