Hexenzorn
Ihren früheren Meister halten, gar nicht Ihr früherer Meister ist, sondern seine Schülerin.«
Ch’ang Hao schien über Rondeaus Worte nachzudenken, dann schüttelte er den Kopf. »Verzeiht, aber dies ist nicht meine Muttersprache.«
Marla klärte ihn auf. »Was er meint, ist Folgendes: Es besteht eine Chance, dass unser Freund in Chinatown mit seiner jungen Schülerin den Körper getauscht hat. Wir sind
uns noch nicht sicher, aber es besteht definitiv eine Möglichkeit.«
»Das ist verwerfliche Magie. Wenn das zutrifft, hat er gegenüber der Welt eine noch größere Leidensschuld, als ich bisher annahm. Es machte stets den Anschein, als erteile der alte Meister mir die Befehle, doch habe ich nur selten direkt mit ihm gesprochen und kann mir deshalb nicht sicher sein. Ich schulde der Schülerin meines früheren Meisters keine Gnade, aber ich werde dennoch wachsam sein, denn es ist mein Wille, dass die volle Kraft meiner Rache denjenigen trifft, der für meine Gefangenschaft verantwortlich ist. Es gibt Mittel und Wege herauszufinden, welcher Geist welchen Körper bewohnt.« Ch’ang Hao verneigte sich. »Gute Nacht, Marla. Wenn Ihr mich braucht, sucht eine Schlange und sagt ihr, dass Ihr meine Dienste benötigt. Ich werde die Nachricht erhalten.«
Marla nickte. Ch’ang Hao machte Anstalten zu gehen, blieb jedoch noch einmal stehen. »Um der Ehrlichkeit willen und damit Ihr die Art unserer Beziehung richtig versteht, fühle ich mich verpflichtet, Euch etwas mitzuteilen.«
»Nur zu«, sagte Marla.
»Ihr und ich, wir sind von diesem Moment an Todfeinde«, sagte er fast traurig. »Ich bedaure es zutiefst, diese Haltung einnehmen zu müssen, aber ich habe keine andere Wahl.«
Marla konnte einen ungläubigen Aufschrei gerade noch unterdrücken. »Was? Wieso willst du auf einmal mein Feind sein? Ich habe dich gerade von deinen Ketten befreit!«
Ch’ang Hao sah sie mit kalten Augen an. Es war offensichtlich, dass sein Gesicht nichts weiter war als eine Verkleidung - Ch’ang Hao war alles andere als ein Mensch. »Nur wenige Dinge sind so schrecklich, wie ein Sklave zu sein.
Und nur halb frei zu sein, ist kaum besser. Ich bin in einem Harnisch aus Nägeln gefangen, Marla Mason, und es dauert mich. Es stünde in Eurer Macht, mich zu befreien, und doch tut Ihr es nicht. Es beliebt Euch, mich gefesselt zu lassen, in ständiger Qual.«
»Ich kenne dich nicht!«, stieß Marla hervor und tat ihr Möglichstes, ebenso kühl zu klingen wie Ch’ang Hao. »Ich kann es nicht riskieren, dich freizulassen. Woher soll ich wissen, was du dann anstellst?«
»Ich verstehe«, sagte Ch’ang Hao. »Dennoch verzeihe ich Euch nicht, dass Ihr mich gefesselt lasst, und deshalb müssen wir Feinde sein. Hättet Ihr mir meine unumschränkte Freiheit zurückgegeben, so wären wir vielleicht Freunde geworden. Doch habt Ihr mich stattdessen erneut versklavt, an Euren eigenen Willen gebunden, und das verzeihe ich nicht.«
»Du bist genau wie dieser Flaschengeist. Jemand lässt ihn frei, aber er war so lange gefangen, dass er alle Menschen einfach nur hasst, und dann bringt er den, der ihn befreit hat, auch noch um, statt ihm einen Wunsch zu gewähren.«
»Ihr habt Euren Wunsch bereits genannt«, entgegnete Ch’ang Hao. »Ich werde ihn erfüllen, sobald Ihr es verlangt, zweifelt nicht daran.«
»Toll«, meinte Marla, verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Sich ein so mächtiges Wesen zum Feind zu machen, war wahrscheinlich einer der schlimmsten Fehler, die sie je begangen hatte, aber sie wagte nicht, Ch’ang Hao spüren zu lassen, wie beunruhigt sie über diese Tatsache war. »Also gut, hier ist mein Wunsch: Ich möchte, dass du deine Meinung änderst und wir keine Feinde mehr sind.«
»Ich habe versprochen, Euch einen Dienst zu erweisen«, erwiderte Ch’ang Hao, »aber ich habe nicht versprochen, meine Würde oder meine Ehre mit Füßen zu treten, und ich werde es auch nicht tun. Ruft mich, wenn ich Euch einen echten Wunsch erfüllen kann.«
»Und danach? Wirst du dann versuchen, mich umzubringen?«
»Ich bezweifle, dass ich Euch töten kann, solange ich in diesem Harnisch gefangen bin. Doch bin ich überzeugt, dass ich ihn nicht für immer tragen werde.« Er wandte sich an Rondeau. »Es war mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte Ch’ang Hao und verließ den Raum. Marla ließ sich auf die Bettkante fallen und vergrub den Kopf in den Händen.
»Ziemlich nett
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