Hexenzorn
fragte Marla.
Finch seufzte. »Was glauben Sie, warum die Gerste wurzeln konnte? Die meisten Leute wissen es nicht. Es war
wegen des Grenzsteins, Marla. Irgendein Magier - wir wissen nicht mit Sicherheit, welcher, aber wahrscheinlich war es Sanford Cole, der später der geheime Hofmagier von Kaiser Joshua Norton I. wurde - wollte, dass aus dem Park etwas wird. Also belegte er ihn mit einem einfachen Fesselungszauber, der vom Grenzstein entsprechend verstärkt wurde, und das nächste Samenkorn, das auf die Erde fiel, schlug Wurzeln. Zufällig war das Halls Gerste. Cole war ein interessanter Zeitgenosse. Haben Sie von ihm gehört?«
»Klar«, sagte Marla. »Er ist der Benjamin Franklin unter den Magiern. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir in Amerika Fuß fassen konnten, wie manche behaupten.«
»Richtig. Nach allem, was man hört, war er ein guter Mensch. Können Sie sich das vorstellen? Ein derart mächtiger Magier, von dem es heißt, er wäre gut gewesen? Ich glaube kaum, dass man von Ihnen oder von mir einmal so etwas behaupten wird. Aber vielleicht war es auch einfach eine andere Zeit.«
Marla schwieg und beobachtete, wie die Gebäude an ihnen vorbeiglitten. Menschen, die glaubten, früher wären die Dinge grundsätzlich besser oder die Umstände günstiger gewesen, hatten ganz offensichtlich nicht allzu viel Ahnung von Geschichte.
»Es gibt eine Legende, die besagt, dass Cole zurückkehren wird, wenn sich San Francisco in größter Not befindet. Haben Sie das gewusst?«
»Hmm. Wie Merlin, der eines Tages wieder in England auftauchen soll?«
»In ein paar hundert Jahren wird man sich an Cole vielleicht genauso erinnern wie an Merlin. Zumindest in unseren Kreisen.«
»Sie glauben diese Geschichte?«, fragte Marla. »Dass er zurückkehren wird?«
Finch zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich nicht. Manche glauben sie natürlich. Ein paar von den Technomanten dachten, er würde zurückkommen, als die Dotcom-Blase geplatzt ist, was - kaum überraschend - aber nicht der Fall war. Ich glaube, Cole ist für immer weg vom Fenster. Andererseits hatte er uneingeschränkten Zugang zum Grenzstein, und ich schätze, in diesem Fall ist alles möglich, sogar eine Rückkehr von den Toten.«
»Dieser Grenzstein«, warf Rondeau ein, »er konserviert einen Zauber für die Ewigkeit?«
»Unter anderem«, antwortete Finch. »Es gibt vier bekannte Grenzsteine auf der Welt …«
»Drei. Ballard hat einen davon gegessen«, unterbrach Marla.
»Ja, drei in unserer Welt, und ihre Herkunft ist unbekannt. Sie sind gut für Fesselungszauber, dafür, dass Dinge überdauern, um Dinge zu verankern, dass Unwahrscheinliches wahrscheinlich wird. Wir haben die Golden Gate Bridge mit dem Grenzstein verbunden, damit sie bei einem schweren Erdbeben nicht einstürzt. Die Normalen wissen natürlich nichts davon und bauen ständig immer neue, mechanische Sicherheitsvorkehrungen ein, um sie erdbebensicher zu machen. Das macht aber nichts, es gibt den Menschen etwas zu tun. Zum Glück haben die meisten Magier nur eine sehr vage Vorstellung davon, was ein Grenzstein eigentlich ist, und zudem wissen sie nicht, wo sie sich befinden. Der unter dem British Museum war ziemlich bekannt, und wir wissen ja, was mit ihm passiert ist. Ich beispielsweise habe keine Ahnung, wo die anderen beiden sind.«
»Ich auch nicht«, sagte Marla. »Und ohne Lao Tsung hätte
ich von diesem hier auch nichts gewusst. Aber dieser andere Typ, Mutex, er hat irgendwie von diesem Grenzstein in San Francisco gehört. Hat er gesagt, warum er ihn will?«
Finch machte eine abwehrende Handbewegung. »Mutex kam zu mir und fantasierte etwas von alten Gottheiten, dem Universum, das zum Stillstand kommen wird wie eine abgelaufene Uhr, Blutopfern und so weiter. Er sagte, wenn die Menschen nicht anfangen würden, seinen Göttern Opfer zu bringen, dann würden die Sonne, die Sterne und die Planeten auf ihren Bahnen stehen bleiben.« Finch zuckte die Achseln. »Ich wies ihn höflich ab, er wurde aggressiv, und ich ließ ihn hinausbringen. Nach Lao Tsungs Tod habe ich ein paar Nachforschungen über ihn in Auftrag gegeben. Heute Morgen erst erhielt ich die Nachrichten, aber es gab nicht viel zu berichten. Mutex war ein talentierter junger Mann, der Schüler eines Schamanen westlich der kolumbianischen Anden, aber er brach seine Ausbildung ab und hat dann ein paar Jahre lang den amerikanischen Kontinent bereist. Die meiste Zeit davon verbrachte er im Dschungel, und dabei hat er sich wohl
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