Hexenzorn
Ohren. B. führte sie um ein paar freistehende Regale herum, vorbei an Terrarien mit Schildkröten, trägen Schlangen, riesigen Skorpionen und Eidechsen.
»Mein Gott, hier sieht’s ja aus wie in Langfords Labor«, meinte Rondeau. »Überall ekliges Krabbelgetier. Gehört das hier zu einem Zoo?«
»Das ist eine Tierhandlung«, sagte Marla. Sie spähte in ein Terrarium, in dem ein halbes Dutzend Wasseragamen zwischen künstlichen Ästen und der Scheibe herumsprangen. In einem anderen saß ein riesiger Leguan auf einem Stein und streckte ab und zu seine gespaltene Zunge heraus. Sie ging weiter zu einem offenen Terrarium, aus dem sie kleine, fast rosafarbene Eidechsen in einer Landschaft aus Wasser und Steinen anstarrten. Daneben entdeckte sie kleine Frösche, aber keine wie den in ihrer Plastiktüte - die hier waren grün mit hervortretenden Augen und hielten sich mit den kleinen, kugelförmigen Saugnäpfen ihrer Zehen an der Scheibe fest. Sie schienen an den richtigen Ort gekommen zu sein.
Rondeau lief herum und bewunderte einen Königspython. Marla machte sich auf die Suche nach B. Sie fand ihn an der Theke im hinteren Teil des Ladens, wo er sich mit dem Verkäufer unterhielt, einem untersetzten Mann von etwa vierzig Jahren mit dichtem, dunklem Haar und, wie Marla vermutete, chronisch finsterem Blick. »Marla, das ist
Ray«, sagte B., und der Verkäufer nickte ihr zu. Er trug ein kurzärmeliges, lässig geschnittenes Hemd, auf das über der rechten Brusttasche der Name ›Butch‹ gestickt war.
»Ich habe B. gerade erzählt, dass ich nicht allzu viel über Frösche weiß«, sagte Ray. »Mein Ding sind eher Schlangen. Aber wenn Sie mir zeigen, was Sie haben, werde ich sehen, was ich für Sie tun kann.«
Marla sah B. fragend an, und er nickte. »Ray gehört zu den Guten«, sagte er.
Marla nickte. Einem Normalen den Frosch zu zeigen sollte harmlos sein. Sie griff in ihre Tasche, holte die kleine Plastiktüte heraus und rollte sie aus, sodass man den Frosch darin erkennen konnte. »Ich würde ihn an Ihrer Stelle lieber nicht anfassen«, sagte Marla. »Ich weiß nicht viel über das Vieh, aber ich weiß, dass es giftig ist.«
Ray beugte sich nach vorn und betrachtete den Frosch, dann brummte er: »Drehen Sie ihn um, lassen Sie mich seine Unterseite sehen.« Marla tat es, und Ray nickte. »Wow. Warten Sie einen Moment, ich muss ein Buch holen.« Er verschwand im Hinterzimmer.
»Woher kennen Sie ihn?«, fragte Marla.
»Eigentlich ist er Journalist, er hat mich damals interviewt, als ich gerade anfing, berühmt zu werden. Danach sind wir Freunde geblieben, sind öfters zusammen mal einen trinken gegangen und so. Eigentlich sind wir jetzt sogar noch enger befreundet, seitdem wir beide aufgehört haben zu trinken. Er sagt, der Markt für die Freischaffenden ist zurzeit nicht gerade üppig, deshalb arbeitet er hier.« B. zuckte die Achseln. »Er kennt sich eben gut mit Schlangen aus.«
»Aber er ist … nicht so wie Sie oder … wir?«
»Sie meinen, ob er sich mit den Toten unterhält? Nein.
Zumindest nicht, dass ich wüsste. Aber er wird niemandem etwas erzählen, größtenteils weil es ihm ganz einfach egal ist, und er ist ein Freund, also können wir offen mit ihm reden. Andernfalls hätte ich Sie gar nicht hier hergebracht. Schließlich glaube ich, dass mein Leben von Ihnen abhängt. Machen Sie sich also keine Sorgen.«
»Die Hälfte meines Jobs besteht daraus, mir Sorgen zu machen. Die andere Hälfte besteht daraus, mich darum zu kümmern, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche.«
Ray kam mit einem Bildband mit Hochglanz-Cover zurück. Er legte das Buch auf die Theke und blätterte die Seiten durch. Dutzende von verschiedenen Fröschen waren darauf abgebildet: dunkelgrüne, winzig kleine, großäugige, sogar ein glänzend blauer.
Dann tippte er mit dem Zeigefinger auf eine Seite und drehte das Buch herum, damit Marla das Bild besser sehen konnte. Ein goldgelber Frosch starrte mit seinen schwarzen Augen direkt in die Kamera. Das Foto war in der Bewegung aufgenommen, und der Frosch kauerte wie Spiderman nach einer harten Landung mit einem Vorderbein noch in der Luft, die Zehen gespreizt und das breite Maul konzentriert nach unten gerichtet. »Das ist eins der wenigen Fotos, die es auf der ganzen Welt von, äh, sehen wir einmal nach, Phyllobates terribilis gibt«, sagte Ray. »Schrecklicher Pfeilgiftfrosch. Mr. Tod. Hier unten stehen die wichtigsten Infos.«
Marla beugte sich über das Buch. Das war also
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