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Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gleichen Maße, in dem er tiefer in die Geheimnisse des Buches eindrang, hatte an Gewalt und Macht über ihn gewonnen, je mehr er von den geheimnisvollen Schriftzeichen und Symbolen verstand, und jetzt hatte er seine andere, dunkle Seite kennengelernt, die Faust, zu der sich die unsichtbare Hand seines Führers ballen konnte.
    Er stöhnte. Die Erinnerung an den Schmerz wühlte noch in seinem Inneren, aber gleichzeitig fühlte er sich frei; zum ersten Mal seit dem Moment, in dem er das Buch gesehen hatte, wieder Herr seines eigenen Willens.
    Ein helles, knisterndes Geräusch drang in Tremayns Gedanken und ließ ihn aufsehen. Plötzlich fiel ihm der grünliche, unheimliche Schein wieder auf, der in der Luft lag, aus keiner bestimmbaren Quelle kommend, sondern wie leuchtender durchsichtiger Nebel und sanft pulsierend. Umständlich stemmte sich Tremayn auf die Füße, trat einen halben Schritt auf den Tisch zu und blieb abrupt stehen.
    Das Buch bewegte sich …
    Wie von unsichtbaren Händen umgeschlagen, blätterten die dünnen, vergilbten Seiten vor seinen Augen um, und das helle Rascheln und Knistern des trockenen Pergamentes erfüllte den Raum mit einem geheimnisvollen, drohend-spöttischen Wispern, das Tremayn einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ.
    Plötzlich, als wäre er abrupt aus einem tiefen, traumlosen Schlaf erwacht, wurde sich Tremayn seiner Umgebung wirklich bewusst: der Kälte, die seine Zähne klappernd aufeinanderschlagen und seine Finger steif werden ließ, dem Gefühl bohrenden Hungers, das sich seit zwei Tagen in seine Eingeweide wühlte, ohne dass er sich dessen bisher überhaupt bewusst gewesen wäre, die Schwäche, mit der sein Körper zwei Tage Schlafentzug quittierte. Und plötzlich wurde er sich der Tatsache bewusst, dass er ein Buch las, das in einer Sprache abgefasst war, die er nicht beherrschte, ja, von der er noch nie zuvor gehört hatte, dass er Dinge tat, die nicht seinem Willen entsprachen, sondern zu einem willenlosen Sklaven dieses Buches geworden war.
    Und plötzlich war die Angst da.
    Die dünnen Pergamentseiten blätterten weiter raschelnd und knisternd um und der grüne Schein in der Luft pulsierte stärker. Tremayn torkelte zurück, als er spürte, wie die unsichtbaren Gewalten schon wieder nach seinem Willen griffen. Er wollte schreien, aber seine Stimmbänder versagten ihm den Dienst. Dann, wie eine unsichtbare Welle, die durch seinen Körper raste, ergriff die Lähmung auch von seinen Gliedern Besitz. Sein Wille erlosch. Langsam trat Tremayn wieder an den Tisch heran, ließ sich auf den schmalen Hocker sinken und streckte die Hand nach dem Buch aus. Die Seiten blätterten weiter, kamen, als wären sie bisher von einem unsichtbaren Windzug, der jetzt abbrach, bewegt worden, zur Ruhe, das pulsierende grüne Licht strahlte stärker.
    Tremayns Blick verschleierte sich. Seine Augen wurden trüb und matt wie die eines Toten und seine Hand bewegte sich wie ein kleines, lebendes Wesen über den Tisch, kroch über die aufgeschlagene Seite des Höllenbuches und blieb unter einer bestimmten Zeile liegen. Seine Lippen begannen Worte zu formen, lautlos und in einer Sprache, die vor zweitausend Millionen Jahren untergegangen war, zusammen mit den Wesen, die sie gesprochen hatten.
     
    Ich konnte nur wenige Augenblicke bewusstlos gewesen sein, denn als ich die Augen aufschlug, war das erste, was ich sah, Miss Winden, die sich schluchzend über ihre Tochter beugte, während Howard behutsam ein Bettlaken über die reglose Gestalt Sallys breitete. Mein Kopf schmerzte, aber es war nicht mehr der mörderische Druck, der einen Moment lang auf meinem Bewusstsein gelastet hatte, sondern ein ganz normaler, ordinärer Schmerz, der von der mächtigen Beule herrührte, die ich mir beim Zusammenbrechen geholt hatte.
    Eine gewaltige Pranke ergriff mich bei der Schulter und zog mich auf die Füße. Ich sah auf und blickte in Rowlfs Gesicht. Er grinste, aber es war ein etwas gequältes Lächeln und aus seiner aufgeplatzten Lippe tropfte noch immer Blut.
    »Alles klar?«, fragte er.
    Ich nickte instinktiv, streifte seine Pranke ab und presste stöhnend die Hand in den Nacken. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper schien weh zu tun. »Und selbst?«
    Rowlfs Grinsen wurde noch ein wenig gequälter. »Schon in Ordnung«, murmelte er. »Aber die Kleine hatn hübschen Schlag am Leib. N’paar Sekunden mehr …« Er wiegte den Schädel, sog hörbar die Luft zwischen den Zähnen ein und wandte sich

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