Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
von mir, vernünftig zu sein, Craven? Sie wissen nicht, was Sie reden! Sie … Sie werden sterben, das schwöre ich Ihnen. So qualvoll, wie mein Sohn leben wird und die Kinder der anderen, werden Sie sterben.« Wieder hob er die Hand, um mich zu schlagen, aber diesmal fiel ihm der Riese in den Arm und riss ihn zurück. Temples heulte vor Wut auf und versuchte nach dem Giganten zu schlagen, aber Curd schüttelte nur den Kopf und drückte seinen Arm herunter.
»Ruf ihn zurück!«, keuchte Temples. »Verdammt, Ayres, er soll mich loslassen!«
»Curd!« Die Stimme der Alten klang scharf wie ein Peitschenhieb. Der Riese fuhr zusammen, ließ Temples los und zog sich wie ein geprügelter Hund zurück. »Und du«, fuhr Ayres, an Temples gewandt, fort, »bist vernünftig. Er ist unschuldig.«
Temples starrte sie hasserfüllt an und massierte seine schmerzenden Oberarme.
»Unschuldig!« Er spie das Wort fast aus. »So wie mein Sohn, wie? Wie ich und Curd und Wulf und die anderen?«
Ich richtete mich wieder auf, zog die gesprungene Unterlippe zwischen die Zähne und spuckte Blut auf den Boden. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte ich gepresst. »Aber ich glaube, ich habe wenigstens das Recht auf eine Erklärung.«
Temples wollte auffahren, aber die Alte unterbrach ihn wieder. »Er hat Recht, Lowry«, sagte sie ruhig. »Zeige es ihm. Zeige ihm, was sein Vater den Menschen in Innsmouth angetan hat.«
Das Feuer war erloschen, aber über der Ruine lag noch ein Hauch drückender, trockener Hitze. Aus den zerborstenen Stein- und Holzmassen, zu denen das Gebäude zusammengesunken war, stieg noch immer schwarzer Qualm, dann und wann auch ein Funkenschauer, je nachdem, wie der Wind stand.
Die Feuerwehr war mit zwei Spritzenwagen gekommen und hatte länger als eine Stunde gelöscht, und schließlich war es ihr auch gelungen, ein Übergreifen des Feuers auf die benachbarten Häuser zu verhindern. Trotzdem waren die Bewohner vorsorglich evakuiert worden. Sie hockten, etwas abgesondert von der Menge der Gaffer und Neugierigen, die die Arbeit von Polizei und Feuerwehr behinderten, auf ihren Koffern und den hastig gepackten Bündeln. Sie wirkten niedergeschlagen, beinahe unnatürlich ruhig und gefasst. Nur hier und da wimmerte ein Kind oder weinte eine Frau still in sich hinein.
Shannon hatte sich zur gegenüberliegenden Straßenseite zurückgezogen. Aufmerksam beobachtete er, wie sich zwei, drei Männer von ihren Plätzen erhoben und scheinbar ziellos die Straße hinunterzugehen begannen. Auf ihren Gesichtern stand ein Ausdruck grimmiger Entschlossenheit geschrieben.
Shannon begriff nicht, was hier vorging. Er war nach Arkham gekommen, weil die einzige Straße nach Innsmouth durch diesen Ort führte, und war geblieben, um dem Feuer zuzusehen und vielleicht zu helfen, falls dies nötig sein sollte. Aber er hatte den Hass und den aufgestauten Zorn, die wie eine übelriechende Wolke über der Stadt lasteten, schon von weitem gespürt.
Hass worauf?, dachte er verwirrt. Auf das Feuer? Lächerlich. Ein Feuer hasst man nicht.
Die Gruppe bewegte sich an ihm vorbei und plötzlich erkannte Shannon, was ihr Ziel war. Ein Stück östlich die Straße hinab stand ein zweispänniger, geschlossener Wagen mit schwarzem Verdeck. Der Fahrer war abgestiegen und redete gestenreich mit zwei Männern in den dunkelblauen Uniformen der Stadtpolizei.
Kurz entschlossen schloss sich Shannon der Gruppe an. Niemand nahm von ihm Notiz, denn aus den drei Männern, die sich aus der Gruppe der Evakuierten gelöst hatten, war mittlerweile ein gutes halbes Dutzend geworden und während sie sich der Kutsche näherten, schlossen sich immer mehr und mehr Männer an. Sie waren fast zwei Dutzend, als sie den Wagen erreichten. Unauffällig schob sich Shannon nach vorne und blieb zwei Schritte hinter dem Kutschfahrer stehen, der in einen heftigen Streit mit den beiden Polizisten verstrickt war.
»… nich, wasse von mir wolln!«, polterte er gerade. »Sucht lieber nach Howard unnem Jungen, statt mich anzupflaumen!«
Howard? Ein kurzer, rascher Schrecken durchfuhr Shannon. Hastig sah er auf und betrachtete den Wagen noch einmal, und genauer. Er kannte das Fuhrwerk. Es war der gleiche Wagen, mit dem Jeffs Freund ihn vom Flussufer abgeholt hatte.
»Verzeihung«, sagte er. »Sie sind doch Rowlf, nicht? Ich möchte mich nicht einmischen, aber -«
Der Kutscher fuhr mit einer ärgerlichen Bewegung herum. »Warum tunses’n dann?«, schnappte er, brach aber dann
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