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Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Titel: Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dann flammte ein Streichholz auf und der Docht verbreitete erneut trübgelbe Helligkeit. Es dauerte einen Moment, bis sich meine Augen wieder daran gewöhnt hatten und aus dem Schatten allmählich vier menschliche Gestalten wurden.
    Zwei von ihnen kannte ich – es waren der Riese und Wulf. Der dritte war ein schlanker, dunkelhaariger Mann unbestimmbaren Alters, der auf den ersten Blick beinahe normal aussah; allerdings auch nur auf den ersten Blick.
    Die vierte Person war eine Frau. Eine sehr alte Frau, achtzig, vielleicht sogar neunzig Jahre, schätzte ich. Ihr Gesicht glich einer zerschundenen Landschaft aus Falten und tief eingeschnittenen Narben, grau und fleckig wie altes Pergament und ebenso tot. Das einzige Lebendige darin waren die Augen. Augen, deren Blick mich schaudern ließ.
    »Andara«, murmelte der Mann an ihrer Seite. »Endlich haben wir dich. Endlich!«
    Seine Stimme drang nur wie durch einen dämpfenden Vorhang an mein Bewusstsein. Der Blick der Alten bannte mich. Es war keine Hypnose, sondern etwas anderes, etwas viel Finstereres und Böseres.
    Mühsam löste ich meinen Blick von dem der Alten und versuchte mich aufzusetzen, so gut es die Fesseln zuließen. »Wer … wer sind Sie?«, fragte ich stockend. »Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?«
    »Mein Name tut nichts zur Sache, Andara«, antwortete der Mann grob. »Ich bin Lowry Temples, aber das wird Ihnen nichts sagen, vermute ich.«
    »Nein«, antwortete ich. »So wenig, wie ich weiß, warum mich Ihre Schläger entführt haben und warum ich hier bin.«
    Temples Augen blitzten auf. »Das wissen Sie wirklich nicht?«, fragte er. »Aber natürlich – es ist lange her, nicht wahr? Zweihundert Jahre sind selbst für einen Mann wie Sie eine lange Zeit, Roderick Andara.«
    Ich wollte antworten, aber die Alte kam mir zuvor.
    »Das ist nicht Andara«, sagte sie ruhig.
    Temples erstarrte. Verwirrt blickte er mich an, dann die Alte, und dann wieder mich. »Das ist …«
    »… nicht Roderick Andara«, sagte die Alte noch einmal. »Ich weiß, was ich sage, Lowry.«
    »Aber er muss es sein!«, keuchte Temples, beinahe verzweifelt. »Er sieht so aus wie auf den Bildern, und ich … ich habe seine Macht selbst gespürt. Und Curd auch und die anderen!«
    »Er sieht aus wie er«, bestätigte die Alte. »Er hat seine Macht und sein Wissen. Aber er ist es nicht. Glaube mir, Lowry – ich würde ihn erkennen, stünde er vor mir.«
    »Aber wer …« Temples schluckte nervös, atmete hörbar ein und starrte aus brennenden Augen auf mich herab. »Wer sind Sie dann?«, fragte er.
    »Ich bin sein Sohn«, sagte ich leise. »Mein Name ist Craven, nicht Andara. Robert Craven.«
    »Sein Sohn …« Temples erbleichte. Seine Lippen begannen zu zittern und für einen Moment trübte sich sein Blick. »Der Sohn des Magiers.«
    »Ich bin Andaras Sohn«, wiederholte ich, »aber glauben Sie mir, das ist alles, was ich mit ihm zu tun habe. Was immer mein Vater getan haben mag – ich weiß nicht, was es war, und ich weiß nicht, warum er es getan hat.« Ich seufzte. »Bis vor ein paar Tagen wusste ich nicht einmal, dass es einen Ort namens Innsmouth gibt.«
    Temples lachte. Es klang hässlich. »Das ändert nichts«, sagte er hart. »Ob Sie nun Andara oder Craven heißen, spielt keine Rolle.«
    »Lowry«, sagt die Alte. »Bitte – er kann nichts dafür. Er sagt die Wahrheit, glaube mir. Er weiß nicht, was hier geschehen ist.«
    »Das weiß mein Sohn auch nicht!«, brüllte Temples. »Ich sage dir, sei still, Ayres! Er wird für die Tat seines Vaters bezahlen, so wie mein Sohn für das bezahlt, was mein Urahne getan haben soll. Auge um Auge.«
    »Und du glaubst, du würdest das Unrecht gutmachen, indem du ein neues begehst?«, fragte Ayres leise. Ihr versöhnlicher Ton täuschte, das spürte ich. Es hörte sich an, als stünde sie auf meiner Seite, aber das stimmte nicht. Ich konnte das Fremde, Böse, das von ihrer Seele Besitz ergriffen hatte, fast sehen.
    »Ich will nichts wieder gutmachen«, antwortete Temples hart. »Ich will Rache, Ayres, nichts als Rache.«
    »Und wofür?«, fragte ich. »Ich weiß ja nicht einmal, was hier geschehen ist, Temples. Seien Sie vernünftig und -«
    »Vernünftig?« Plötzlich schrie Temples auf, beugte sich vor und schlug mir mit der flachen Hand über den Mund; so heftig, dass mein Kopf zurückflog und meine Unterlippe aufplatzte. Der Wolfsmann stieß ein drohendes Knurren aus.
    »Vernünftig?«, schrie Temples noch einmal. »Sie verlangen

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