Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire
Sie mir den Standort!«
»Es ist hier in London«, erwiderte Howard seelenruhig. Necrons Zorn schien ihn nicht im geringsten zu beeindrucken. »Warum suchen Sie es nicht?«
Necron keuchte vor Zorn. »Ich könnte Sie zwingen!«
»Versuchen Sie es«, antwortete Howard. »Sie können eine Menge, Necron, das gebe ich zu. Aber gerade haben Sie behauptet, ich würde Sie unterschätzen. Begehen Sie nicht den gleichen Fehler! Ich bin kein Hexer wie Sie oder Robert, aber ich verstehe genug von Magie, um mich zu schützen. Selbst vor Ihnen.«
»So?«, kreischte Necron. »Das wollen wir sehen.«
»Wenn Sie zum Beispiel versuchen sollten -«, begann Howard.
Necron hob die Hände und begann dunkle Worte in einer gutturalen Sprache zu murmeln.
»- meinen Willen mit magischen Kräften zu brechen -«
Zwischen Necrons Fingern begann sich dünner grauer Rauch zu kräuseln. Rauch, der wie spinnenfingrige Hände durch die Luft auf Howard zuglitt und sein Gesicht umspielte.
»- dann könnte es durchaus sein, dass ich in meinem Unterbewusstsein einen hypnotischen Befehl verankert habe -«
Der Rauch ballte sich dichter. Necrons Stimme wurde höher und schriller und plötzlich begann er wie ein Derwisch hin und her zu hüpfen. Die rauchigen Spinnenhände hüllten Howards Kopf so ein, dass sein Gesicht kaum noch zu erkennen war. Etwas bewegte sich zwischen ihnen.
»- der mich tötet, wenn ich das Geheimnis verraten will. Sie verwenden doch den gleichen Trick bei Ihren Männern, oder? Die sterben auch, ehe Sie irgendetwas gegen Sie tun oder sagen können.«
Necron erstarrte mitten in der Bewegung, mit offenem Mund und halb in der Luft erhobenen Händen. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, als hätte er eine lebende Kröte verschluckt.
»Sie lügen!«, behauptete er. Seine Stimme zitterte.
Howard zuckte mit den Schultern. »Stellen Sie mich auf die Probe, Necron. Einen Versuch haben Sie frei. Aber nur einen.«
Drei, vier endlose Sekunden starrte Necron Howard Lovecraft aus zornblitzenden Augen an, dann ließ er die Hände sinken, ballte sie zu Fäusten und knirschte hörbar mit den Zähnen.
»Also gut«, sagte er. »Sie haben gewonnen. Jedenfalls für den Moment.«
»Sie willigen ein?«
»Einwilligen?« Necron schüttelte zornig den Kopf. »Nein, Lovecraft. So schnell nicht. Aber ich werde Sie noch nicht umbringen. Und ich werde über Ihren Vorschlag nachdenken.«
»Tun Sie das«, riet Howard. »Aber lassen Sie sich nicht zu viel Zeit.«
»Zum hundertsten Male«, brüllte Tornhill. »Ich will wissen, was in diesem Haus vorgegangen ist, Craven. Alles. Jede Einzelheit.«
Dabei schlug er mit der flachen Hand auf die Platte des gewaltigen Schreibtisches, der den Großteil seines Büros ausfüllte. Jeder, der auf der anderen Seite dieses gewaltigen Möbelstückes auf dem unbequemen Besucherstuhl saß, musste sich klein und schäbig vorkommen, zumal der Stuhl ein Gutteil zu klein geraten war und man zu Tornhill aufsehen musste; ein ziemlich mieser Trick und dazu nicht einmal besonders originell.
Aber er funktionierte, zumindest in meinem Fall. Ich wusste nicht mehr, wieviel Zeit vergangen war, seit mich Tornhill von Rowlf fortgerissen und an zwei seiner Leute übergeben hatte.
Wir waren in Scotland Yard – zumindest nahm ich das an – und dieser kleine Raum mit dem schmalen, zusätzlich vergitterten Fenster im zweiten oder dritten Stock war Tornhills Büro. Von der freundlichen, ja beinahe mitfühlenden Art, die er in meinem Haus an den Tag gelegt hatte, war nichts mehr geblieben. Vielleicht lag es daran, dass Tornhill hier gewissermaßen auf eigenem Boden kämpfte.
Vielleicht hielt er mich auch schlichtweg für einen Mörder.
»Also?« Er schrie jetzt nicht mehr, aber die Ruhe, mit der er sprach, war fast drohender.
Ich sah auf und fuhr mir mit dem Handrücken über die Stirn. Meine Augen brannten und auf meiner Zunge lag ein pelziger, bitterer Geschmack. Ich hatte Durst. »Ich habe Ihnen alles erzählt, Tornhill«, sagte ich leise. »Glauben Sie mir. Ich … weiß nicht, wer meine Hausangestellten umgebracht und die anderen entführt hat.«
Tornhill starrte mich einen Moment mit verändertem Ausdruck an, dann seufzte er, lehnte sich zurück und verschränkte die Hände vor dem Bauch.
»Wissen Sie was, Craven?«, sagte er. »Ich glaube Ihnen sogar.«
»Dann lassen Sie mich gehen«, stöhnte ich. »Ich kann Ihnen nicht helfen, begreifen Sie das doch endlich! Mein Gott, es sind meine Freunde, die diese Männer
Weitere Kostenlose Bücher