Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe
menschliche Architektur gewesen sein musste, denn die Proportionen und Linien waren, obzwar fremd und ungewohnt, doch nicht die unangenehmen bizarren Linien der GROSSEN ALTEN und auch die Maße der Fenster, Treppen und Türen entsprachen in etwa denen, die menschliche Bewohner bevorzugt hätten.
Es gab gewaltige, quaderförmige Blöcke, zu regelmäßigen Straßen geordnet und manchmal mit spitzen, jetzt jedoch ausnahmslos zerborstenen Türmchen versehen, dazwischen Pyramiden, Kegelstümpfe und schlanke, an Muscheln erinnernde Gebilde, die mit grazilen Brücken ohne Geländer miteinander verbunden waren. Wir schwammen über einen phantastischen Park aus Wasserpflanzen, dann über eine Ansammlung kleiner kuppelförmiger Gebäude ohne Fenster oder Türen, dann wieder zwischen tangverkrusteten Säulen und gewaltigen, terrassenförmigen Anlagen hindurch.
Dann überquerten wir das Loch.
Mir fiel kein besserer Ausdruck ein, den schwarzen, wie ausgestanzt wirkenden Pfuhl zu beschreiben, der jäh unter uns aufklaffte. Ein Strom eisigen Wassers ließ mich schaudern und als ich in die Tiefe blickte, glaubte ich, eine dunkle, quirlende Masse zu erkennen, schwarze Dinge, die wie bizarre Kaulquappen hin und her schossen und immer wieder mit grotesk wirkenden Hüpfern Höhe zu gewinnen versuchten, stets aber von irgendetwas zurückgesaugt wurden. Der Schacht war gewaltig. Ich schätzte seinen Durchmesser auf mindestens zweihundert Yards. Seine Tiefe war nicht einmal zu erahnen. Ich atmete innerlich auf, als wir ihn überquert hatten und wieder fester Boden unter uns war.
Plötzlich deutete Dagon auf eine steinerne Pyramide etwa hundert Yards unter und vor uns und begann rasch in die Tiefe zu gleiten. Ich folgte ihm, obwohl er sich nicht einmal die Mühe machte zurückzublicken. Es hätte auch wenig Sinn gemacht, hätte ich versucht, ihm davonzuschwimmen. Und mein Luftvorrat war zu wertvoll, um ihn bei einem sinnlosen Fluchtversuch zu vergeuden. Es mochte sein, dass ich ihn noch bitter nötig hatte.
Als wir näher kamen, sah ich mehr Einzelheiten des Pyramidenhauses. Anders als die mir bekannten Pyramiden hatte sie fünf Seiten, was einen erstaunlichen optischen Effekt ergab; und auch das mächtige Tor, auf das Dagon zuschwamm, war fünfeckig, wie eine etwas verunglückte Bienenwabe, und nicht ganz im Lot. Vermutlich war es nicht ganz einfach, hier unten eine Wasserwaage zu benutzen.
Dunkelheit hüllte uns ein, als wir in die Pyramide eindrangen, und für eine Weile sah ich Dagon nur als schwarzen Schatten vor mir. Dann erschien vor uns uns ein blass grünes Leuchten und wenige Augenblicke später fand ich mich in einem weitläufigen, fünfeckigen Saal wieder, dessen Wände von Massen der grünen Leuchtalgen überwuchert waren.
Dagon deutete nach oben, stieß sich mit einer eleganten Bewegung ab – und durchbrach die Wasseroberfläche, die wie ein grünsilberner Himmel zwei Yards über meinem Kopf hing.
Ich wollte ihm folgen, aber in diesem Moment gewahrte ich eine Bewegung neben mir, drehte mich wassertretend herum – und blickte in eines der hübschesten Gesichter, das ich jemals gesehen hatte.
Es war ein Mädchen, achtzehn, allerhöchstens neunzehn Jahre jung, schlank bis an die Grenzen der Zerbrechlichkeit und von wunderbarem Wuchs. Ich konnte das beurteilen, denn bis auf das schulterlange schwarze Haar, das ihren Kopf wie eine duftige Wolke umschwebte, trug sie keinen Fetzen am Leib.
Sie schwamm ein Stück neben mir, hielt mit grazilen Bewegungen der Arme und Beine die Schwebe und musterte mich ebenso neugierig wie ich sie. Plötzlich begriff ich, dass es das gleiche Mädchen war, das ich vorhin gesehen hatte, als ich die unterseeische Stadt zum ersten Mal erblickte.
Und als ich in ihre Augen sah, begriff ich noch etwas, denn es waren Augen, die ich kannte.
Die Augen ihrer Mutter.
Das Mädchen neben mir war niemand anders als Jennifer Borden. Severals Tochter.
Die NAUTILUS war zur Ruhe gekommen. Ihre Maschinen liefen noch immer, ein düsteres, an- und abschwellendes Rauschen und Hämmern, das den Leib des stählernen Gebildes wie donnernder Pulsschlag erfüllte, aber ihre Kraft reichte jetzt nur noch, den Sog der Strömung auszugleichen und das Unterseeboot schwerelos wenige Yards über dem Grund des Tunnels zu halten.
Nemos Augen brannten vor Anstrengung. Er fühlte sich müde, erschöpft wie selten zuvor in seinem Leben; und alles, was er wollte, war schlafen. Aber es würden noch sehr viele Stunden
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