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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seine Hand von meiner Schulter herabglitt, und starrte ihn aus brennenden Augen an. »Ist das alles, was dir dazu einfällt?«, fragte ich, schärfer, als ich eigentlich beabsichtigt hatte. »Beinahe dreißig Majunde sind tot, Shannon. Und wir …« Ich brach ab, rang einen Moment hörbar nach Atem und deutete mit einer zornigen Bewegung auf die Lichtung hinaus. »Wir hätten diese ganze verdammte Insel in die Luft sprengen können, ist dir das klar? Wenn das Wasser tief genug in den Berg gedrungen wäre, um eine große Lavaader zu erreichen –«
    »Das ist es aber nicht«, unterbrach mich Shannon. »Das Risiko war mir klar, Robert. Aber ich hatte keine Wahl. Dagons Haustierchen hätten uns alle umgebracht, wenn ich sie nicht vernichtet hätte. Wir haben ihn nicht geschlagen, aber wir haben wenigstens etwas Zeit herausgeschunden. Er wird Tage brauchen, um sich davon zu erholen. Wenn nicht Wochen.«
    Wieder dauerte es lange, bis ich antwortete, und als ich es tat, überlegte ich mir jedes einzelne Wort sehr genau. Ich war gereizt und das furchtbare Geschehen – und mehr noch der Gedanke an das, was hätte geschehen können – wühlten mein Innerstes auf. Shannon hatte keine Wahl gehabt. Nicht in den wenigen Sekundenbruchteilen, die ihm geblieben waren, sich zu entscheiden. Es hatte wenig Sinn, wenn wir stritten.
    »Ich begreife den Sinn dieses ganzen Überfalles nicht ganz«, sagte ich, eigentlich nur, um auf ein anderes Thema zu kommen.
    »Er konnte nicht ahnen, dass wir ihn so vernichtend schlagen würden«, antwortete Shannon.
    Ich schüttelte den Kopf. »Trotzdem ergibt es keinen Sinn«, sagte ich. »Es war auf jeden Fall ein Risiko. Und ich kenne Dagon. Man kann ihm eine Menge nachsagen, aber er ist nicht dumm.«
    »Vielleicht finden wir die Antwort«, sagte Shannon. »Der Zauberer ist erwacht. Ich dachte mir, dass du dabei sein willst, wenn ich mit ihm rede.«
    »Natürlich.« Ich nickte, obwohl ich im Moment alles andere als Lust hatte, mit einem Mann zu reden, der mir noch vor wenigen Stunden seine Lebensrettung mit einem Messerstich gedankt hatte. Aber ich war noch immer wie erschlagen. Vielleicht war es das Klügste, wenn ich irgendetwas tat, um meine Gedanken abzulenken.
    Die Eingeborenen lagerten unweit des Waldrandes. Nachdem das Feuer erloschen war, hatten sie vorsichtig den See verlassen und den Rest der Nacht damit verbracht, nach Überlebenden des Gemetzels zu suchen. Sie hatten keine gefunden.
    Aber es waren auch keine Leichen gefunden worden. Die Ssaddit hatten jede Spur von Leben aus dem Dorf getilgt, lange ehe das Wasser kam und sie tötete.
    Als ich auf das hastig von Unterholz befreite Waldstück hinaustrat, auf dem das knappe Hundert überlebender Majunde lagerte, glaubte ich die dumpfe Verzweiflung, die von den Eingeborenen Besitz ergriffen hatte, geradezu körperlich zu spüren. Niemand sprach. Ein Kind weinte, aber das war der einzige Laut, den die annähernd einhundert Menschen von sich gaben, und plötzlich begriff ich, dass ihr Entsetzen noch viel tiefer sein musste, als ich bisher angenommen hatte.
    Ich war beinahe froh, an Shannons Seite neben den Magier des Majunde-Stammes treten und meine Gedanken mit anderen Dingen beschäftigen zu können.
    Das Gesicht des Mannes war auf der linken Seite geschwollen, wo ihn meine Faust getroffen hatte. Er konnte nur ein Auge öffnen, aber damit starrte er mich mit einem solchen Hass an, dass mir ein eisiger Schauer den Rücken hinablief. Ich begriff den Grund dieses Gefühles nicht. Was ich sah, war weit mehr als der Groll, den man dem Angehörigen eines verhassten Volkes entgegenbrachte. Es war ein Hass, der mir ganz persönlich galt.
    Shannon kniete neben dem Eingeborenen nieder, blickte ihm einen Moment fest in die Augen und sagte: »Wir müssen mit dir reden. Wirst du uns einige Fragen beantworten?«
    Der Magier spuckte ihn an.
    Eine Sekunde lang blieb Shannon wie versteinert sitzen, dann hob er ganz langsam den Arm, wischte sich das Gesicht sauber und legte dem Mann in der gleichen Bewegung die Hand auf die Schulter.
    »Was haben wir dir getan?«, fragte er. »Warum hasst du uns so? Wir stehen auf deiner Seite.«
    Der Majunde schnaubte, hob die Hand, um Shannons Arm beiseite zu schlagen und erstarrte. Der Glanz seiner Augen erlosch. Seine Züge erschlafften, während sich Shannons Finger so tief in seine Schulter gruben, dass er eigentlich vor Schmerz hätte aufschreien müssen. Aber er regte sich nicht, sondern blieb weiter stumm und wie

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