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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ein harter, schmerzhafter Kloß saß plötzlich in meiner Kehle. »Hast du … hast du sie gesehen?«
    Shannon nickte.
    »Sie lebt«, bestätigte Shannon. »Aber sie ist …« Er sprach nicht weiter und mit einem Male – eigentlich zum allerersten Male, seit ich ihn kennen gelernt hatte – konnte er meinem Blick nicht mehr standhalten und starrte beinahe betreten zu Boden. »Es tut mir Leid, Robert«, sagte er. »Ich wollte nicht darüber reden. Es war ein Fehler, der dir nur wehgetan hat. Verzeih.«
    »Sie lebt?«, beharrte ich. Ich fühlte mich wie in Trance. Meine Gefühle waren aufgewühlt, als wäre am Grunde meiner Seele ein Vulkan aufgebrochen. Meine Hände zitterten.
    Shannon nickte, aber die Bewegung war so sacht, dass ich sie kaum sah. »Sie lebt, aber Necron hat sie in Schlaf versetzt, Robert. Einen magischen Schlaf, aus dem nur er sie wieder erwecken kann.« Plötzlich hob er den Kopf und sah mir mit neu gewonnener Festigkeit in die Augen. »Vergiss sie, Robert«, sagte er sanft. »Selbst wenn Sie wieder erwachen sollte, wird sie nicht mehr –«
    Er kam nicht dazu, den Satz zu Ende zu bringen. Mit einem Sprung war ich auf den Füßen und bei ihm, riss ihn an den Jackenaufschlägen in die Höhe und ballte die Faust unter seinem Gesicht.
    »Sag so etwas nie wieder, Shannon!«, schrie ich. »Nie, hörst du? Sag nie wieder, dass ich sie vergessen soll!«
    Shannon blickte mich an, schüttelte traurig den Kopf und drückte meine Hände mit einer beinahe sanften Geste zur Seite. Meine Wut verrauchte so schnell, wie sie gekommen war, und mit einem Male fühlte ich mich nur noch elend. Mir war im wahrsten Sinne des Wortes zum Heulen zumute.
    »Entschuldige, Shannon«, sagte ich. »Ich … habe die Beherrschung verloren. Ich wollte das nicht.«
    »Wir haben beide Fehler gemacht«, sagte Shannon sanft. »Warum vergessen wir sie nicht auch beide.« Er schwieg einen Moment, lächelte traurig und fügte mit noch leiserer Stimme hinzu: »Bedeutet dir dieses Mädchen so viel? Nach all der Zeit?«
    Ich antwortete nicht, denn ich konnte es nicht. Bei Gott – wie oft hatte ich mir das Hirn zermartert, um selbst eine Antwort auf diese Frage zu finden? Ich liebte sie, ja, mehr als alles andere auf der Welt, aber – war es wirklich Liebe? Ich hatte sie ja kaum gekannt. Die wenigen Tage, die ich zusammen mit ihr in London verbracht hatte, hatten ja nicht einmal ausgereicht, sie wirklich kennen zu lernen, und die Jahre danach …
    »Ich weiß es nicht«, gestand ich, ohne Shannon anzublicken.
    »Du hattest kaum Zeit, sie wirklich zu lieben«, sagte Shannon, fast, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Du hast zwei Jahre neben einer Kranken gelebt, Robert. Einem Mädchen, das nicht Herr ihrer selbst war. Vielleicht ist es nur Mitleid!«
    Ich sah auf, atmete hörbar ein und blickte ihn fest an. »Hast du jemals geliebt, Shannon?«, fragte ich.
    Es dauerte lange, bis Shannon antwortete, fast, als müsse er erst gründlich über meine Frage nachdenken. Dann schüttelte er den Kopf. »Du hast Recht«, sagte er. »Man sollte nicht über etwas reden, was man niemals kennen gelernt hat.« Plötzlich lächelte er und sprach mit veränderter Stimme weiter: »Und so, wie die Dinge liegen, kommen wir im Moment ohnehin nicht zu einer Lösung. Ich verspreche dir, dass ich dir helfen werde, sie zu befreien. Wenn das alles hier vorüber ist.«
    »Befreien? Ich weiß ja nicht einmal, wo sie ist. Und für dich wäre es Selbstmord, auch nur in Necrons Nähe zu kommen. Er wird nicht sehr erbaut davon sein, dass du ihm dieses Ding gestohlen hast!« Ich deutete auf die Tasche, in der er den magischen Kompass trug. »Außerdem hast du vollkommen Recht – im Augenblick gibt es Wichtigeres zu tun. Hast du schon einen Plan?«
    Shannon lachte befreit auf. »Ich dachte schon, du würdest mich nie fragen«, sagte er. »Hör zu …«
     
    Der große Platz inmitten des Gefangenenlagers wirkte wie ausgestorben. Die Türen der hufeisenförmig angelegten Baracken waren ausnahmslos geschlossen, die Läden vorgelegt und auch das normalerweise niemals abreißende Hin und Her der Wachen auf den Wehrgängen jenseits des doppelten Stacheldrahtverhaues hatte aufgehört. Selbst in den warmen Hauch des Krakatau, der vom Gipfel des Vulkans herabtrieb und aus der Erde drang, hatte sich etwas wie Kälte gemischt.
    Tergard fröstelte. Die Sonne stand hoch am Himmel und es hätte unerträglich warm sein müssen. Aber wenn er die Augen schloss, dann glaubte er Schnee

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