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Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Titel: Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seinen Mantel dicht neben meinem Stuhl aus, mit der finsteren, mit lebenden Nadeln bewachsenen Seite nach außen.
    Angeekelt betrachtete ich das bizarre, lebende Etwas. Zum ersten Male hatte ich Gelegenheit, eines dieser schrecklichen Geschöpfe aus allernächster Nähe zu sehen.
    Mir wäre wohler gewesen, ich hätte es nicht gekonnt.
    Es waren nicht nur die Nadeln. Zwischen ihnen rankte und wand sich etwas, das wie eine Schicht widerwärtiger, schleimig schwarzer Würmer aussah, dünne, sich ringelnde Fäden aus geronnener Schwärze, die miteinander verflochten waren. Das ganze grässliche Gebilde zuckte und bebte ununterbrochen.
    Jennifer drehte sich zu mir um, griff unter meinen linken Arm und zog mich ohne sichtliche Anstrengung in die Höhe. Ich versuchte mich zu wehren, aber natürlich ohne Erfolg.
    »Was hast du vor?«, keuchte ich noch einmal. Meine Stimme bebte jetzt nicht nur vor Schwäche, sondern schlicht und einfach vor Angst.
    »Das Einzige, was dich retten kann«, antwortete Jennifer. »Du kannst nicht hierbleiben, aber dieser Körper ist zu schwach. Der Mantel wird dir helfen.«
    Sie bückte sich – wobei sie mich mit einer Hand scheinbar mühelos gleichzeitig aufrecht und festhielt – hob das zitternde schwarze Ding vorsichtig auf und warf es ohne ein weiteres Wort über meine Schultern.
    Ich weiß nicht genau, was ich erwartet hatte: Wahrscheinlich einen neuen Schmerz, vielleicht auch einen geistigen Angriff, irgendetwas jedenfalls.
    Aber ich spürte nichts.
    Das heißt – etwas spürte ich schon.
    Der Mantel schmiegte sich fest um meine Schultern und es war ein Gefühl, das nicht einmal unangenehm war, sondern eher beschützend; wie die Berührung einer großen, freundlichen Hand. Ein leises Kitzeln breitete sich in meinem Nacken aus, kroch über meine Schultern die Arme herab bis zu den Ellbogen und den Rücken hinunter, bis fast zur Hüfte, und ich wusste, dass es nichts anderes waren als die Fleischdornen des Mantels, die den Stoff meines Gewandes und meine Haut scheinbar mühelos durchbohrten und sich tief in mein Fleisch bissen. Aber ich fühlte nicht den geringsten Schmerz.
    Dafür machte sich eine angenehme Wärme in meinen Gliedern breit, gefolgt von einer Leichtigkeit und Kraft, wie ich sie selten zuvor im Leben verspürt hatte.
    »Warum … hast du das getan?«, fragte ich.
    Jennifer lächelte. »Fällt dir nichts auf, Robert?«
    Einen Moment lang starrte ich sie unverstehend an, dann fuhr ich zusammen, hob die Hände vor das Gesicht und blickte fassungslos an mir herab.
    Mein Körper – Barlaams Körper hatte sich nicht verändert. Seine linke Hand war noch immer verkrüppelt und nutzlos, die Haut noch immer die eines Greises, der irgendwann vor hundert oder mehr Jahren vergessen hatte, zu sterben – aber jeglicher Schmerz, die quälenden Atembeschwerden, das hektische Pochen meines Herzens, die lähmende Schwere in meinen Gliedern; das alles war verschwunden.
    »Es ist der Mantel«, beantwortete Jennifer meine Frage, ehe ich sie auch nur stellen konnte. »Er gibt seinem Träger Kraft und macht ihn unempfindlich gegen Schmerzen.«
    Ich war immer noch unfähig, zu antworten. Vorsichtig, fast, als hätte irgendetwas in mir Angst, dass eine zu rasche Bewegung die Illusion zerplatzen und mich wieder in einen Kosmos aus Schmerz und Alter stürzen lassen könnte, machte ich einen Schritt, hob die Hände und senkte sie wieder und drehte mich einmal im Kreis.
    »Das … das ist unglaublich«, murmelte ich. Dann fiel mir der Fehler auf. »Warum hat Barlaam ihn nicht getragen?«, fragte ich misstrauisch. »Warum hat er jahrelange Schmerzen erduldet, wenn es so einfach ist?«
    Jennifers Blick wurde plötzlich sehr ernst. »Es ist gefährlich, Robert«, sagte sie. Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf den zweiten toten Magier und seinen Mantel. Mir fiel auf, dass sich das bizarre Kleidungsstück noch immer bewegte. Ich war nicht ganz sicher, aber fast schien es mir, als zöge es sich zusammen. Ganz, ganz langsam.
    »Diese Wesen dienen ihren Trägern«, erklärte Jennifer. »Sie geben ihnen Kraft und Ausdauer und noch manches andere, was du jetzt nicht verstehen würdest. Aber sie verlangen einen hohen Preis.«
    »Und welchen?«, fragte ich leise. Mit einem Male kam mir die sanfte Umarmung des Mantels gar nicht mehr so sanft und beschützend vor, sondern unangenehm warm und auf schwer zu beschreibende Weise drohend.
    »Sie verzehren die, die sie tragen«, antwortete Jennifer. »Keiner dieser

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