Hexer-Edition 12: Die Hand des Dämons
vernehmen: ein Stöhnen und Wehklagen, als protestiere das leblose Holz gegen die rohe Gewalt, die er anwendete. Einen Herzschlag lang hatte er sogar das Gefühl, als durchliefe ein Zittern die Tür, so, als wäre sie plötzlich nur mehr teilweise stofflich und wolle sich auf diese Art gegen ihn zur Wehr setzen, aber das Gefühl war nur vage und verging ebenso schnell, wie es entstanden war.
Kühle, moderig riechende Luft schlug ihm aus dem Geheimgang entgegen. Er riss die Augen auf, doch nach der blendenden Helligkeit konnte er hier nicht einmal schemenhafte Konturen ausmachen. Seine Hand strich über grob behauenen Stein. Blindlings taumelte Jeff weiter. Hinter ihm klang ein dumpfer Schlag auf und er wusste, dass sich die Geheimtür wieder geschlossen hatte.
»Bredshaw!«, rief er, dann noch einmal etwas lauter: »Bredshaw, sind Sie hier?«
Mit angehaltenem Atem lauschte Jeff. Er bekam keine Antwort. Nur seinen eigenen dumpf hämmernden Herzschlag hörte er, der ihm in der vollkommenen Stille übermäßig laut erschien.
Immer noch war die Dunkelheit allgegenwärtig, hüllte ihn wie ein gewaltiger Bausch schwarzer Watte ein, aber da war noch etwas anderes. Etwas, das fremdartig war, aber zugleich auch feindselig und – gefährlich!
Etwas Kaltes, Eisiges streifte ihn, aber es war kein Luftzug, sondern Kälte, die sich in seinem Inneren selbst ausbreitete. Es war, als bilde die Finsternis Schattenarme aus, um nach ihm zu greifen.
Er tappte herum und schlug ein paarmal um sich, aber der einzige Widerstand, auf den seine Fäuste trafen, war die Wand des Ganges. Der Schmerz riss Jeff wieder in die Wirklichkeit zurück. Keuchend ließ er die Arme sinken und rieb sich über die blutigen Knöchel. Es gibt etwas wie einen schlechten Traum in diesem Gang, hatte der Graue Bredshaw erklärt, und diese Beschreibung kam dem einigermaßen nahe, was er empfand.
Zugleich aber war es mehr als ein Traum. In den Wänden des alten Gemäuers nistete etwas, von dem das Gefühl der Gefahr ausging. Sie atmeten eine körperliche Drohung aus, etwas, das nur darauf lauerte, Gestalt anzunehmen und sich auf ihn zu stürzen …
Jeff hastete weiter. Mit einem Mal nahm er auch wieder Licht wahr. Es sickerte durch fingerbreite Spalten in den Wänden und malte verwaschene Flecken auf den Boden. Durch sie erkannte er rechtzeitig den Fuß der Treppe. Die steinernen Stufen waren schmal und glitschig, er musste höllisch Acht geben, um nicht abzurutschen.
In mehreren Absätzen wand sich die Treppe in die Tiefe. Vom dritten Absatz aus zweigte ein Gang ab, an dem Jeff erst vorbeilaufen wollte, bis ihm im letzten Moment etwas auffiel. Auch der Gang wurde durch Licht, das durch kleine Spalten hereinfiel, vage erleuchtet. Aber eine der Spalten verdunkelte sich, noch während Jeff hinsah, um gleich darauf wieder hell zu werden. So, als wäre ein Schatten darübergehuscht …
Jeff musste sich Gewissheit verschaffen. Entschlossen drang er in den Gang ein. Er musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um durch die Spalte blicken zu können, und für einen Moment hatte er das Gefühl, als gäbe der Boden unter ihm nach, verwandelte sich in ein gierig an seinen Füßen saugendes Moor.
Illusion, hämmerte es in seinem Kopf und gleich darauf war alles wie zuvor. Jeff kniff ein Auge zu und blickte mit dem anderen durch den schmalen Spalt.
Er hatte sich nicht getäuscht. Tatsächlich war ein Schatten über den Spalt geglitten. Der Schatten Necrons. Jeff erkannte ihn sofort, obwohl der Alte ihm den Rücken zuwandte. Unruhig wanderte er von einer Wand des Raumes zur anderen.
Es handelte sich um eine Bibliothek. Die Wände waren bis unter die Decke hinter Büchern verborgen. Es musste sich um tausende von Bänden handeln. Ihr Anblick erfüllte Jeff mit einem ehrfürchtigen Schaudern. In mühevoller Arbeit hatte er sich das Lesen und Schreiben selbst beigebracht, zumindest einigermaßen, und Bücher waren für ihn fast schon etwas Heiliges. Leider kam er ohne Geld auch fast ebenso schwer an ein Buch heran wie an einen Heiligenschein.
Der unerwartete Anblick lenkte Jeff nur wenige Sekunden lang ab, dann richtete er den Blick wieder auf Necron. Er schrak zusammen, als der Alte den Kopf wandte und plötzlich zu ihm herüberstarrte. Doch mit keiner Regung gab er zu erkennen, dass er den Jungen entdeckt hatte. Stattdessen setzte er seine unruhige Wanderung durch das Zimmer fort.
»Er kann dich nicht sehen«, vernahm Jeff eine Stimme neben sich und erneut zuckte
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