Hexer-Edition 14: Necron - Legende des Bösen
meine Züge, zu dem ich im Augenblick noch fähig war. »Das wäre außerordentlich zuvorkommend von Ihnen«, sagte ich böse. »Oder ist das Ihre normale Art, Gäste zu behandeln?«
Necron verzog abfällig die Lippen. »Mitnichten, mein lieber Robert. Aber normalerweise habe ich auch keine Gäste, die mich hintergehen.« Er brach ab, starrte der Reihe nach Sitting Bull, Shadow und schließlich mich an und machte eine zornige Handbewegung, als ich abermals zu einer Antwort ansetzte.
»Sparen Sie sich die Mühe, Ihre Unwissenheit zu beteuern«, sagte er wütend. »Ich habe Ihnen ein Angebot gemacht, jedem Einzelnen von Ihnen, und ich habe es ehrlich gemeint. Aber irgendeiner von euch hat mich betrogen.« Er schürzte die Lippen, trat einen Schritt auf Shadow zu und blickte sie herausfordernd an. »Wenn man nicht im Allgemeinen sagte, dass Engel niemals lügen, würde ich sofort auf Sie tippen, meine Liebe«, sagte er höhnisch. »Aber möglicherweise täusche ich mich ja.«
»Verdammt noch mal – was soll das?«, fauchte ich. Ich verstand überhaupt nichts mehr. Und genau das sagte ich ihm auch.
Necron seufzte. »Bitte. Wenn Sie belieben, Spielchen zu spielen …« Er deutete auf die beiden gläsernen Särge über uns. »Irgendjemand hat im Laufe der Nacht diesen Raum betreten und meinen Gefangenen befreit«, sagte er.
Es dauerte einen Moment, bis ich begriff.
»Shannon?«, murmelte ich. »Er ist …«
»Er ist wach, Robert«, sagte Shadow leise.
Necron nickte wütend. »Genau. Und ich glaube, ich täusche mich nicht, wenn ich den Verantwortlichen dafür unter Ihnen vermute.«
»Sie sind verrückt, Necron«, antwortete ich. »Wie hätten wir das wohl bewerkstelligen sollen? Wir waren eingeschlossen! Und bewacht von Ihren Prügelknaben!«
Necron seufzte. »Spielen Sie doch nicht den Narren, Craven«, sagte er. »Aber bitte – wenn es Ihnen Freude macht. Spielen wir ein Spielchen, dass sie sicher noch aus Ihrer Schulzeit kennen.« Er lächelte, aber es wirkte nicht besonders humorvoll. »Ich will wissen, wer Shannon erweckt hat. Und wo er ist. Stellt sich der Schuldige freiwillig, wird er bestraft und den anderen beiden geschieht nichts. Schweigt er, töte ich Sie alle drei. Alle vier, besser gesagt«, fügte er mit einem süffisanten Grinsen in meine Richtung hinzu. »Wir wollen Ihre geschätzte Verlobte nicht vergessen, Robert.«
»Das wagen sie nicht!«, keuchte ich.
»Nein?«, fragte Necron harmlos. »Und was sollte mich daran hindern? Oder wer, besser gesagt? Ich glaube nicht, dass -«
Er kam nicht weiter. Draußen auf dem Gang erscholl ein lautstarkes Gebrüll, Metall klirrte und plötzlich wurde die Tür so heftig aufgestoßen, dass Necron mitten im Wort abbrach und herumfuhr.
Ein Drachenkrieger stolperte herein, fiel zwei Schritte vor ihm auf die Knie und senkte den Kopf. Sein Atem ging so schnell, als wäre er eine Meile aus Leibeskräften gerannt.
»Was fällt dir ein, Kerl?«, fauchte Necron. »Wer hat dir erlaubt, hier einzudringen?«
»Feinde, Herr!«, keuchte der Drachenkrieger. Er sah auf. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß und in seinen Augen flackerte die pure Angst. »Es sind Feinde im Kastell!«
Necron erstarrte. Eine Sekunde lang starrte er den Boten ungläubig an, dann schrie er auf, packte ihn an der Schulter und riss ihn grob in die Höhe. »Was sagst du da?«, brüllte er. »Bist du von Sinnen? Das ist unmöglich!«
»Aber es ist wahr, Herr!«, wimmerte der Krieger. »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen!«
»Was hast du gesehen?«, schrie Necron.
»Das Kastell!«, keuchte der Mann. Necron hatte ihn so fest gepackt, dass er kaum mehr atmen konnte. »Es … es ist gefallen. Sie sind alle tot. Ich wäre es auch, hätten sie mich bemerkt, aber ich konnte mich verbergen. Ihr … Ihr müsst Alarm geben, Herr. Die Drachenburg wird angegriffen!«
Über der Wüste wurde es Tag. Und wie immer in diesem Teil der Welt, der vielleicht zu den menschenfeindlichsten und gefährlichsten überhaupt zählte, ging die Sonne mit ungeheurer Pracht auf. Der Horizont war in flammendes Rot getaucht und die Kälte der Nacht wich bereits jetzt einem ersten, warmen Hauch, der bald zu stickiger Hitze und nicht viel später zu unerträglicher Glut werden würde. Manchmal brachte der Wind Geräusche mit sich: das Rascheln des Sandes, ein leises Klirren, der schwer zu beschreibende Laut sorgsam eingefetteten Leders, das über hartes Lavagestein schleifte, Fetzen einer gemurmelten
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