Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
folgen, aber dort drinnen war Gefahr; Gefahr und Tod. Er war nie weiter als ein paar Schritte in die Höhle eingedrungen und mit eingekniffenem Schwanz wieder ans Licht geflohen.
    Jetzt tauchte die Dämmerung des zweiten Tages den dichten Wald in Zwielicht und ließ die Schatten länger und dunkler werden; und endlich nahm Hund eine Witterung auf die er kannte und die ihn mit Freude und Ungeduld erfüllte. Er lief vor dem Höhlenloch auf und ab und begann zu wedeln.
    Plötzlich jedoch wurde seine Freude durch einen neuen Duft gestört, der ihm aus der Finsternis entgegenwehte. Er blieb stehen und hob die spitze Schnauze prüfend in die Luft. Natürlich, da war noch immer die vertraute Witterung, aber zusammen mit ihr kam der Gestank von Tod und Verwesung!
    Hund knurrte leise. Sein Instinkt warnte ihn, doch er missachtete die Warnung. Er würde warten …
    Endlich schälten sich dunkle, verschwommene Umrisse aus den tiefen Schatten. Die Umrisse eines Menschen. Hund bellte freudig auf und rannte auf die Gestalt zu.
    Sein Herr war zurückgekehrt! Hund tanzte um ihn herum und sprang an dem bärtigen Alten hoch.
    Der Mann blieb stehen. Fast schien es, als bemerkte er seinen alten Freund gar nicht, doch dann beugte er sich zu Hund herab und fuhr ihm mit der Hand über das braune Fell.
    Hund blieb stehen und blinzelte aus glänzenden Knopfaugen zu seinem Herrn hinauf. Es war gut, die freundliche Hand zu fühlen, wie sie ihn streichelte, den Nacken kraulte …
    Hund spürte kaum, wie der Alte ihn hochhob, ihn einen Moment lang aus kalten, gebrochenen Augen anstarrte und ihm mit einem einzigen Ruck das Genick brach.
    Und hinter dem toten Vagabunden tauchten andere Schatten aus der Dunkelheit auf; Schemen des Schreckens, bleiche Knochen, verfallenes Fleisch. Körper, die dem Tod entkommen waren und seine Botschaft in die Welt trugen.
    Immer mehr und mehr der schrecklichen Gestalten verließen das Dunkel der Höhle, die sie vor den Blicken der Lebenden verborgen hatte, traten hinaus in die graue Dämmerung, die sich wie ein Leichentuch über den Frieden des Waldes senkte und die Stimmen der Tiere verstummen ließ.
    Schweigend folgte das Heer dem lautlosen Ruf der Götter, die Rache forderten für den Bruch ihrer ewigen Gesetze. Blinde Augen sahen die unsichtbare Spur und brüchige, von Moder bedeckte Knochenfüße schritten den unsichtbaren Pfad entlang.
    London entgegen …
     
    »Lydia, wo bist du? Wo hast du dich versteckt?«
    Der junge, braungebrannte Mann, der diese Worte in die Stille der Dämmerung rief, war groß und muskulös. Ein dunkler, prächtiger Schnurrbart verlieh seinem noch jugendlichen Gesicht männliche Härte und unter seinen dichten, zusammengewachsenen Brauen blinzelten helle, wachsame Augen. Er trug nur eine grobe, zerschlissene Hose aus braunem Segeltuch und eine Weste aus Schafsfell. Mit nackten Füßen kletterte er gewandt auf einen der großen Felsbrocken und hielt Ausschau.
    »Lydia!«, rief er wieder und aus dem nahen Waldstück kam seine Stimme als verzerrtes Echo zurück. »Sei nicht albern! Ich finde dich doch!«
    Die Worte klangen fremd; deutlich war ein ungarischer Einschlag herauszuhören, vermischt mit den Bruchstücken vieler anderer Sprachen. Es war Romani, der Dialekt der Zigeuner.
    In der Ferne, etwa eine halbe Meile entfernt, erhellte der Widerschein der Lagerfeuer die anbrechende Nacht. Von den Wagen her klangen leise Stimmen und Gesang heran, von einem lauen Wind getragen. Das Rasseln einer Schelle, das Jauchzen der übermütigen jungen Mädchen beim Tanz um das Feuer.
    Aber darauf achtete Petrosch kaum. Angestrengt lauschte er in die Dämmerung und versuchte irgendeine Bewegung auszumachen. Schließlich hob er die Schultern, ließ sich auf den Felsen niedersinken und zupfte Grasbüschel aus den Ritzen und Kerben des Steines.
    »Nun gut!«, rief er mit betont lässiger Stimme. »Wenn du dich nicht zeigen willst, haben wir den Weg eben umsonst gemacht. Du musst wissen, was du tust!«
    Als hinter ihm nun ein leises, raschelndes Geräusch aufklang, verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen. Als hätte er nichts gehört, widmete er seine Aufmerksamkeit weiter dem Felsen. Das Rascheln kam näher und verklang. Jetzt konnte er sogar schon die verhaltenen Atemzüge des Mädchens hören …
    Mit einem Fauchen wirbelte er herum und riss die Arme in die Luft. Lydia stieß einen spitzen hellen Schrei aus und verschwand rücklings im hohen Gras.
    Petrosch konnte nicht länger an sich halten:

Weitere Kostenlose Bücher