Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York
Freund. Die Decke hätte dich glatt zerquetscht, wenn ich sie nicht aufgehalten hätte … Dann dürfen wir einen einmal geleisteten Schwur nicht brechen. Wenn wir leichtsinnigerweise ein Versprechen gegeben haben, müssen wir es auch halten.« Er schüttelte sich. »Sonst werden wir auf eine tiefere Dimensionsstufe geworfen.«
»Moment mal«, unterbrach ich ihn. »Heißt das, du bist nur hier, weil du einen Eid gebrochen hast?«
»Einen?« Er lachte schrill und laut und hielt sich den fetten Bauch. »Junge, weißt du überhaupt, auf was für einer mickrigen Ebene ihr haust? Auf der sechsten! Ja, ich bin tief gesunken! Und alles nur, weil ich mein loses Mundwerk nicht halten kann! Ich weiß noch, wie ich dem Barmann von Yark el Hlark versprochen habe, seinen Konkurrenten ein wenig zu erschrecken. Und dann ist dieser Mistkerl einfach verunglückt, noch bevor ich ihm auf die Pelle rücken konnte! Und plumps – Ebene sieben. Es ist ein Kreuz!« Er stöhnte mit Leid geprüfter Stimme und rollte die Augen.
»Und dieses Soll?«, hakte ich nach. Ich konnte förmlich spüren, wie er wieder nüchtern wurde. Seine Stimme hatte in der letzten Minute an Sicherheit gewonnen; mir blieb nur noch kurze Zeit.
»Das ist so ’ne Art Konto«, erklärte er. »Wenn ich genug Unheil in einer der Dimensionsebenen angerichtet habe, ohne Mist zu bauen, kann ich wieder um eine Stufe zurück.« Er seufzte schwer. »Aber bis dahin ist es noch ein ziemliches Stück Arbeit. Und außerdem hab’ ich zweihundert lange Jahre in einer dämlichen Salmiakflasche vertrödelt.« Er zwinkerte mir zu. »Aber mit dir könnte ich es schaffen. Wird ’ne harte Zeit für dich, aber unter Freunden hilft man sich doch gern, was?«
Ich konnte keine Sekunde länger warten!
»Klar, Gurk«, sagte ich wie beiläufig. »Ich stehe ganz zu deiner Verfügung. Sobald ich mit dem Golem fertig geworden bin. Da fällt mir ein … könntest du nicht mit deinem Schabernack aufhören und mir dabei helfen, ihn zu vernichten?«
»Aber klar doch! Ist versproch …«
Er verschluckte sich fast an dem Wort, aber es war zu spät. Zu spät für ihn!
»So unter Freunden«, fügte ich grinsend hinzu.
Seine gesunde braune Hautfarbe wechselte in ein blasses Rot. Sekundenlang rang er um Luft und seine langen weißen Haare standen starr vom Kopf ab.
Dann fluchte er los. Ich kann seine Worte hier nicht wiederholen; zum einen kamen sie größtenteils in einer fremden, seltsam kehligen Sprache über seine Lippen und über den Rest, den ich verstand, möchte ich den Mantel der Diskretion decken.
»Du hast mich reingelegt!«, schloss er seinen Wutausbruch. »Ich sollte mir meinen vorlauten Mund zunähen lassen! Und dich könnte ich -«
»Vorsicht«, unterbrach ich ihn schnell. »Ebene fünf wartet! Keine weiteren Späße auf meine Kosten.«
Wieder musste ich mir eine Litanei des Grauens anhören. Jeder mexikanische Eselstreiber wäre vor Neid erblasst. Schließlich aber hatte er sich so weit wieder erholt, dass ich halbwegs vernünftig mit ihm reden konnte. »Erst einmal dieser verstauchte Halswirbel. Ich wette …«
»Sei verdammt«, knurrte er und schnippte mit dem Finger. Augenblicklich verschwand der Schmerz. Ich atmete auf und schwang mich aus dem Bett.
Howard hatte mir frische Sachen auf einem Stuhl bereit legen lassen. Ich warf Gurk einen strengen Blick zu, bis er sich umwandte, dann streifte ich den Pyjama ab und zog mich hastig an.
»Nur um sicher zu gehen«, fragte ich unterdessen weiter, »du kannst also jede beliebige Gestalt annehmen, alter Freund?« Aus Gurks Richtung kam ein unwilliges Brummen.
»Ja«, sagte er dann knapp. »Bis zu einer bestimmten Größe jedenfalls.«
»Prächtig.« Ich zog den Gürtel zusammen und schlüpfte in meine schwarzen Lackschuhe. »Dann hör jetzt gut zu, Gurk. Ich habe einen Plan …«
Hund merkte auf und begann leise zu winseln. Immer noch saß er vor dem dunklen Eingang der Höhle, in der sein Herr vor langer Zeit verschwunden war.
In der letzten Nacht waren andere Menschen gekommen und in den Tiefen des Felsens verschwunden, aber sie hatten eine böse Witterung gehabt und Hund nicht beachtet. Er hatte sich tiefer in den Wald zurückgezogen und war erst wieder auf seinen Posten zurückgekehrt, als der Aasgeruch der seltsamen Zweibeiner nicht mehr an seine empfindliche Nase gedrungen war.
Einen Tag und eine Nacht und wieder einen Tag hatte Hund treu gewartet. Immer wieder hatte er versucht, seinem Herrn in das Dunkel zu
Weitere Kostenlose Bücher