Hexer-Edition 17: Das Auge des Satans
einen Moment lang musste sich Guillaume mit aller Gewalt gegen die Vorstellung wehren, dass dieser Höllenschacht geradewegs bis ins Zentrum der Erde hinabführte und ein einziger Fehltritt einen Sturz über Meilen und Meilen zur Folge haben würde. Der Schacht war nur wenige Meter tief, das wusste er. Aber es war ein entsetzliches Gefühl, nicht zu sehen, wohin einen der nächste Schritt führen würde.
Selbst als sie den Grund des Schachtes erreichten und wieder festen Boden unter den Füßen hatten, wurde es nicht besser. Die Angst gehörte so sehr zu der Schwarzen Stadt wie ihr Licht schluckender Fels und der grüne Schein.
Sie befanden sich in einer kleinen, vollkommen runden Kammer, von der zahllose niedrige Stollen abzweigten; offenbar der Ausgangspunkt eines ungeheuerlichen Labyrinthes, das sich weit unter der Schwarzen Stadt und der Wüste erstreckte. Guillaume dachte einen Moment darüber nach, welche finsteren Geheimnisse und üblen Dinge sich wohl noch in ihren schwarzen Eingeweiden verbergen mochten, zog es aber vor, nicht weiter darüber nachzudenken, und suchte stattdessen nach der Markierung, die Renard und er das letzte Mal zurückgelassen hatten.
Er fand sie fast sofort: eine schmale, von der Klinge eines Schwertes stammende Scharte auf halber Höhe der Wand, die wie ein Pfeil auf einen der Gänge wies.
Noch einmal zögerte er, der Einladung zu folgen, dann vertrieb er seine Angst endgültig, duckte sich und drang mit raschen Schritten in den felsigen Gang ein. Irgendwo hinter ihm bewegte sich etwas, sehr deutlich diesmal, und Guillaume war sicher, dass es nicht Renard gewesen war – aber er schob den Gedanken mit aller Willenskraft von sich und zwang sich dazu, sich nur auf das vor ihm liegende Stück Weges zu konzentrieren.
Es war nicht sehr weit. Schon nach einem guten Dutzend Schritten endete der Gang vor einer gewaltigen, schwarzen Tür aus Basalt, auf der sich die sinnverdrehenden Muster und Linien der Falltür wiederholten. Diesmal mussten sie ihre Schwerter nicht zu Hilfe nehmen, um weiterzukommen: Die Tür schwang wie von Geisterhand (wieso wie?, dachte Guillaume hysterisch. Es waren Geisterhände!!!) bewegt auf und gewährte ihnen Einblick in die dahinter liegende Kammer.
Es war der einzige Teil der Schwarzen Stadt, der nicht aus Licht fressendem Basalt erbaut war. Die Wände waren grau, vom unangenehmen matten Grau blind gewordener Spiegel – die Farbe der fingerdicken Bleiplatten, die sie bedeckten. In seiner Mitte erhob sich ein schmuckloser, ebenfalls bleiverkleideter Quader von halber Manneshöhe.
Auf seiner Oberfläche lag das, was zu holen sie gekommen waren.
Es sah vollkommen harmlos aus: eine kleine, staubige Flasche, die in ein kunstvolles Geflecht aus haardünnen Bleidrähten eingesponnen war, versehen mit einem roten Siegel, unter dessen Farbe sich ebenfalls Blei verbarg. Aber Guillaumes Herz begann zum Zerreißen zu hämmern, als er danach griff.
Diesmal wusste er, was sie erwartete. Trotzdem war der Schrecken so entsetzlich wie beim ersten Mal, denn es war eine Art von Angst, an die man sich nicht gewöhnen konnte und die nichts von ihrem Schrecken verlor, so oft er ihr ausgesetzt war.
Ein sanftes, hellblaues Licht glomm im Inneren der Flasche auf und für einen Moment glaubte Guillaume, den verschwommenen Umriss eines winzigen menschlichen Körpers zu erblicken, war sich aber nicht sicher. Dann erlosch das Leuchten und die Flasche war wieder eine Flasche und sonst nichts.
Und im gleichen Augenblick hörte er die Stimme.
Ich stehe euch zu Diensten, meine Meister …
Meine erste Schätzung war falsch gewesen. Es waren nicht vier- oder fünfhundert Beduinen, die wie ein schwarzer Sturm aus der Wüste herangeprescht kamen, sondern mindestens tausend, und es war kein grölender Haufen aufgeputschter Fanatiker, sondern eine Armee!
Trotzdem hätte ich im Normalfalle jede Wette auf Trouwnes Highlander gehalten, denn trotz ihres manchmal lächerlichen Auftretens verbarg sich hinter ihrer Fassade doch eine der am besten ausgebildeten Truppen der Welt; das Heer, auf dessen Schlagkraft letztendlich die Größe des britischen Empire fußte. Ein Verhältnis eins zu zehn hätte ein Mann wie McFarlane oder Trouwne normalerweise wohl als unfair bezeichnet – den Arabern gegenüber.
So warteten die Männer zwar angespannt, aber nicht ernsthaft besorgt darauf, die erste Salve abfeuern zu können.
Wahrscheinlich war ich der Einzige, der den viel gefährlicheren,
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