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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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etwas Entsetzliches geschah.
    Vier der jugendlichen Magier verließen den Kreis, ergriffen mich an Armen und Beinen und trugen mich in das Zentrum des Kreises. Ohne ein Wort zu sagen legten sie mich auf das gemalte Symbol. Ich war noch immer unfähig mich zu wehren.
    Die Magier spreizten meine Arme und Beine vom Körper ab und traten dann wieder in den Kreis der anderen zurück. Nur Mereda blieb neben mir stehen, so lange, bis sich mein Blick geklärt hatte und ich ihr blasses Gesicht wie einen weißen Fleck über mir sehen konnte. Die schwarze Klinge ihres Schwertes blitzte in ihrer Hand. Sie hob das Schwert senkrecht in die Luft, sodass die Spitze genau auf mein Herz zeigte. Mit einem dünnen, sehr zufriedenen Lächeln auf den Lippen trat sie schließlich zurück.
    Das Schwert blieb in der Luft hängen, gegen jede Logik, scheinbar nur von Meredas und der anderen Magier Willen gehalten, selbst als die Frau mit dem blauen Kristall die Augen schloss und zu singen begann.
    Und kaum hatte sie die ersten Töne hervorgebracht, da vergaß ich das Schwert, Sill, meine eigene Lage … alles.
    Meine Gedanken begannen sich zu verwirren.
    Eine große, sehr wohltuende Schwäche überkam mich.
     
    Mereda sang wie niemals zuvor in ihrem Leben. Es fiel ihr schwer die Konzentration zu wahren, denn in ihrer Seele tobte ein wahrer Sturm einander bekämpfender Gefühle – er war es, er, von dem die alten Lieder sangen, von dem die Legenden erzählten, deren Herkunft längst vergessen war, und von dem nur in den allergeheimsten Kapiteln der verbotenen Bücher zu lesen war; er, der Fremde aus dem Nichts, der kommen würde, wenn die Not am größten war und alles verloren schien. Mereda hatte nicht an die Legenden geglaubt – niemand hatte das – aber alles war genau so, wie es geweissagt worden war: Der Kampfdämon des Ancen-Turmes hatte den Conden-Kreis vernichtet. Madurs Gegenangriff war zu einem Fiasko geworden, von dem nur ein Bruchteil seiner Krieger lebend zurückgekehrt war, und die Zeichen, die sie las, waren voller düsterer Vorahnungen. Und dann war er erschienen – ein Mann aus dem Nichts, der keine Erinnerung hatte, der fremd und verletzt war – und der sterben würde, wenn er seine Aufgabe erfüllt hatte. Es gab keinen Zweifel.
    Aber sie musste vorsichtig sein. Niemand – auch keiner der anderen Magier – durfte die Wahrheit wissen, weder jetzt noch irgendwann. Sie würde sich seiner Kraft bedienen und mit ihrer Hilfe den Ancen-Turm und das Gewürm, das darin hauste, zermalmen. Der Fremde würde dabei sterben, das war ihr klar, aber welche Rolle spielte das schon? War nicht auch dies prophezeit? Er würde sterben, wenn seine Aufgabe erfüllt war – und seine Aufgabe war, ihr, Mereda, die Kraft zu geben, die sie brauchte, ihr Volk zum Sieg zu führen.
    Sie wusste, dass einige der anderen Adepten – allen voran Aneh und dieser närrische Tonn – mit ihrem Tun nicht einverstanden sein würden. Aber sie mussten es ja nicht wissen. Niemand würde es erfahren. Sie würde seine Kraft nehmen und Conden zum Sieg führen und der einzige Mensch, der sie verraten konnte – er selbst – würde tot sein.
    Mereda sang. Ihr Körper bog und wandte sich im Rhythmus der düsteren Klänge, und ihr Geist sog die magischen Energien der Kreismitglieder in sich auf, bis er schier zu platzen drohte. Dann erst richtete sie ihre Konzentration auf den reglosen Mann, der im Zentrum des Magierkreises lag. Er war so kalt und bleich, dass er wie ein Leichnam wirkte. Doch Mereda spürte die Kraft, die selbst sein gelähmter Geist noch ausströmte. Eine Macht, die sie noch erschreckte, obwohl er ihrem Zauber wehrlos ausgeliefert war.
    Ein Schatten fiel in den Raum ein und deckte den Liegenden zu. Es wurde dunkel, so dunkel, dass Mereda das Gesicht des Mannes nur mehr als hellen Fleck sah, der sich wie eine schwärende Wunde von der Dunkelheit abhob. Meredas Blick glitt unwillig von dem Gesicht zum Herzen, dessen Schlag sie wie den Rhythmus einer großen Trommel zu vernehmen glaubte; ein Takt, der auch ihr eigenes Bewusstsein, den Rhythmus ihres eigenen Herzens, ja, selbst den Fluss ihrer eigenen Gedanken in seinen Bann zu ziehen begann.
    Mereda kämpfte nicht gegen diesen Rhythmus an, sondern begann im Gegenteil die ruhenden Energien des Mannes in Takt der unsichtbaren Trommel aus seinem Körper zu lösen und mit ihren eigenen Kräften zu verschmelzen. Sie spürte das Widerstreben der fremden Magie und musste alle ihre Macht aufwenden um sie

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