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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Armlänge aus dem zuckenden Rücken des Ungeheuers, aber das Biest lief einfach weiter, hangelte sich am Speerschaft entlang auf Madur zu und schlug bereits wieder mit einem seiner zahllosen Arme nach seinem Kopf. Wenn es überhaupt so etwas wie ein Lebewesen war, dann keines, das Schmerzen oder Tod kannte.
    Madur reagierte im allerletzten Moment. Er prallte zurück, versetzte dem Speer eine Drehung, die ihn mitsamt dem daran aufgespießten Ding zur Seite fliegen ließ, wirbelte auf der Stelle herum und raste auf den Korridor hinaus. Er besaß sogar noch genug Geistesgegenwart, um die Tür hinter sich zuzuschlagen und den schweren Riegel vorzuschieben.
    Einen Herzschlag später donnerte das Albtraumwesen mit gesenktem Schädel gegen das harte Holz, das sich beim Anprall mit Rissen durchzog und mit einem peitschenden Knall zersprang. Das Geräusch schien das Monstrum zur Weißglut zu treiben. Es taumelte – Madurs Speer noch immer mit sich schleppend – zurück, packte die Reste der Tür, riss sie mit einem einzigen Ruck aus den Angeln und schlug damit auf die Bank mit den Folterwerkzeugen ein. Es hörte erst auf, als die Kammer wie ein Schlachtfeld aussah. Dann drehte es sich herum und stapfte schwerfällig durch das Loch, das einmal eine Tür gewesen war, ins Freie. Von Madur und seinen Männern war nichts mehr zu sehen.
    Aber es spürte die Anwesenheit von Leben.
    Sein Hunger erwachte.
     
    Etwas war falsch.
    Mereda konnte das Gefühl nicht genauer in Worte kleiden, aber sie spürte, dass außer ihr und dem zu einem Kollektivbewusstsein verschmolzenen Geist der Adepten und dem Kraftreservoir, das der Fremde darstellte, noch etwas hier war. In der Nähe des Conden-Turmes, vielleicht schon in seinem Inneren.
    Aber sie wusste nicht, was. Und sie konnte die Beschwörung auch nicht unterbrechen, um zu erkunden, was es war. Nicht, wenn sie nicht alles zunichte machen – vielleicht ihr eigenes Leben verlieren wollte.
    Aber sie spürte, dass es gefährlich war.
    Vielleicht tödlich.
     
    Madur erwartete das Ding im toten Winkel hinter dem Treppenabgang, der einzigen Stelle, an der es vorbeikommen musste, wollte es das Haus verlassen.
    Er hatte seinen Schrecken über das so jäh aufgetauchte Ungeheuer vollends überwunden und sein Denken funktionierte jetzt wieder so schnell und präzise, wie man es von einem Mann in seiner Position erwarten konnte. Wenn er geflohen war, dann hatte das nichts mit Feigheit zu tun – normale Waffen, so schien es, konnten dem Ungeheuer nichts anhaben und es wäre der reine Selbstmord gewesen, sich ihm oben zum Kampf zu stellen. Aber Madur hatte noch die eine oder andere Überraschung für den Dämon, den die Ancen geschickt hatten …
    Er war nicht allein. Gut versteckt in der hohen, aus schwarzen quaderförmigen Steinblöcken errichteten Halle, warteten fast ein Dutzend Krieger auf das halb formlose Etwas, das die Treppe hinunterfloss. Wenn die widerwärtige Kreatur überhaupt dazu in der Lage war, so etwas wie Überraschung zu empfinden, dachte Madur grimmig, dann würde es gleich eine erleben. Die größte seines Lebens. Und die letzte.
    Er hatte seinen Hinterhalt so geschickt gewählt, dass die Klinge seines Schwertes den Schädel des Monstrums traf, bevor dieses überhaupt begriff, was geschah. Ein ekelhafter, irgendwie feuchter Ton erklang, als der rasiermesserscharf geschliffene Stahl die graue Masse teilte und darin versank wie in weichem Morast.
    Madur rechnete nicht damit, dem Ding auf diese Weise wirklich den Garaus machen zu können – aber der Dämon prallte zurück und fiel auf die Treppe, von der schieren Wucht des Hiebes zu Boden geschleudert, und das war alles, was Madur erreichen wollte.
    Noch ehe sich das Ding auf seinen zahllosen Gliedern wieder erhoben hatte, sprang er zurück, riss sein Schwert in die Höhe und gab einen schrillen, befehlenden Schrei von sich. Zwei Sree, die in Wandnischen verborgen gestanden hatten, eilten herbei und kippten den Inhalt zweier großer Tontöpfe über die Kreatur, die sie bereithielten. Die Arme des Ungeheuers peitschten zornig. Einer der Sree brachte sich mit einem entsetzten Sprung in Sicherheit. Der andere war nicht schnell genug. Er wurde getroffen und herum- und gegen die Wand geschleudert; so heftig, dass er reglos liegenblieb.
    »Jetzt!«, schrie Madur.
    Das formlose Kopfteil des Ungeheuers ruckte herum, als hätte es seine Worte verstanden. Zwei, drei zitternde Tentakelarme streckten sich in Madurs Richtung.
    Etwas zischte.

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