Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Titel: Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
besticktes Brautkleid, dessen Schleppe von vier ebenfalls weiß gekleideten Mädchen getragen wurde, die hinter ihr aus der Kutsche stiegen, dazu einen raffinierten Schleier, der ihr Gesicht nur erahnen ließ, ellbogenlange Handschuhe und kleine silberne Schuhe. Mit graziösen, durchaus auf Wirkung bedachten Bewegungen entstieg sie der Kutsche, blieb einen genau bemessenen Moment lang stehen, um sich gebührend bewundern zu lassen und kam schließlich mit gemessenen Schritten auf mich zu.
    Mein Herz begann zu rasen. Ich vergaß die St. Paul’s Cathedral und meine üblen Träume. In diesem Moment bestand die Welt nur noch aus Priscylla und mir.
    Sie bewegte sich sehr langsam, fast majestätisch, auf das Kirchenportal zu. Und ich genoss jeden Augenblick. Endlich, endlich war es so weit. Ich hatte es geschafft. Ich war um die halbe Welt gereist, hatte mich mit Mächten angelegt, deren Macht der von Göttern nahe kam, hatte Schlachten geschlagen und gegen Ungeheuer gekämpft und alles letztlich nur, um Priscylla zu befreien. Mehr als einmal war ich dem Tod nur um Haaresbreite entronnen und in Situationen geraten, die mir selbst im Nachhinein noch die Haare zu Berge stehen ließen.
    Aber dies war eine der Geschichten, in denen am Ende doch die Guten gewannen.
    Es hatte sich gelohnt. Priscylla war frei, sie war gesund – und in wenigen Minuten würde sie meine Frau sein: Mrs. Priscylla Andara-Craven, Besitzerin eines der größten Häuser der Stadt, Herrin eines der größten Vermögen des Landes, und Ehefrau des ansehnlichsten, tapfersten, bescheidensten und nettesten Mannes des Empires.
    Mir.
    Etwas geschah …
    Es ging unglaublich schnell und ich wusste auch hinterher nicht, was es wirklich gewesen war: Es war wie ein Ruck, der durch die Realität ging, ein rasches, kaum merkliches Zucken, als wäre das ganze Geschehen vor mir nichts als ein Spiegelbild im Wasser, in das ein Stein geworfen wurde.
    Das Gefühl verging so rasch, wie es gekommen war.
    Aber etwas hatte sich geändert.
    Mit einem Male schien es kälter zu sein. Die Schatten waren länger und tiefer und bedrohlicher und ich meinte überall Bewegung zu sehen, wo keine war, ein Kriechen und Schleichen und Schleimen, das mich schaudern ließ. Das aufgeregte Murmeln der Menge klang plötzlich drohend in meinen Ohren. Ich fror.
    Priscylla kam langsam näher, blieb zwei Schritte vor mir stehen und lächelte mir zu; selbst durch den Schleier hindurch konnte ich es sehen.
    »Alles in Ordnung, Liebes?«, flüsterte ich.
    »Natürlich«, antwortete sie ebenso leise. Und fügte hinzu: »Mit dir auch?«
    Der Unterton von Sorge in ihrer Stimme war unüberhörbar. Sah man mir meine Nervosität so sehr an?, dachte ich betroffen.
    Ich nickte überhastet, rettete mich in ein verlegenes Grinsen und deutete mit dem Daumen über die Schulter zurück. »Ich war nur etwas überrascht«, gestand ich.
    »Du … bist doch nicht böse, oder?«, fragte Priscylla.
    »Natürlich nicht. Im Gegenteil«, versicherte ich. »Es war eine phantastische Idee. Und jetzt komm. Wir sollten den Oberpriester nicht warten lassen.«
    »Es heißt nur Priester«, verbesserte mich Priscylla lächelnd, obwohl sie genau gespürt hatte, dass es ein absichtlicher Versprecher gewesen war.
    Ich ergriff Mary Windens dargebotenen Arm, setzte ein möglichst gewichtiges Gesicht auf und begann mit gemessenen Schritten in die Kirche hineinzugehen. Die gewaltige Kirchenorgel begann zu spielen; leise, sehr ruhig und sanft zu Anfang, aber mit jedem Schritt lauter werdend, bis die dunklen Töne zu einem gewaltigen Orkan aus Musik anschwollen.
    Ich bin niemals ein sehr religiöser Mensch gewesen und mit der Kirche insbesondere hatte ich erst recht nichts am Hut gehabt – aber in diesem Moment verspürte ich doch eine sehr deutliche, tiefe Regung. Vielleicht lag es an diesem Gebäude. Es war wohl kein Zufall, dass große Kirchen die Menschen schon immer fasziniert haben. Und die St. Paul’s Cathedral war wahrlich eine große Kirche. Ich musste daran denken, was Howard einmal über die Kathedrale gesagte hatte: Das Stein gewordene Wort Gottes. Und er hatte Recht. In dieser Kirche hatten Könige geheiratet.
    Ganz langsam näherten wir uns dem Altar. Die Musik schwoll weiter an, dann fiel der Chor ein, den Gray oder Mary bestellt haben mussten. Schließlich, nach einer Ewigkeit, wie es mir schien, verstummte die Musik und der Priester gebot Priscylla und mir auf der samtbezogenen Bank vor dem Altar niederzuknien. Wir

Weitere Kostenlose Bücher