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Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Titel: Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gehorchten. Während er begann auf lateinisch die Messe zu zelebrieren, sah ich mich um.
    Der Innenraum der St. Paul’s Cathedral war gewaltig. Immer wieder glitt mein Blick zu der weit über zweihundert Fuß hohen Kuppel, an deren Wände mehrere schmale Galerien entlangliefen. Deren unterste, die Flüstergalerie, weit über London hinaus bekannt geworden war. Wenn man gegen die Wand flüsterte, waren die Worte noch weit entfernt zu hören. Ein akustisches Phänomen, für das es sicher eine Menge wissenschaftlicher Erklärungen gab, das die Menschen aber trotzdem faszinierte. Auch jetzt war sie nicht leer. Eine einsame, schlanke Gestalt mit lang wallendem goldenen Haar stand dort oben und blickte auf die versammelte Gemeinde und uns herab. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, ohne dass ich zu sagen wusste, woher.
    Ich verscheuchte den Gedanken und versuchte mich auf die Predigt zu konzentrieren. Aber es gelang mir nicht. Ich war nervöser, als ich mir eingestehen wollte. Mein Blick glitt zärtlich über Priscyllas verschleierte Gestalt, die neben mir auf der niedrigen Bank kniete. Vor uns stand der Priester, der die Hochzeitsmesse zelebrierte, aber seine Worte waren ein fernes Murmeln, das ich nicht verstand.
    Mein Blick schweifte über die zahlreichen Menschen, die zur Trauung gekommen waren.
    Die Kathedrale war bis auf den letzten Platz besetzt. Ich wunderte mich flüchtig, wer die vielen Menschen waren. Die meisten waren mir unbekannt oder kamen mir höchstens vom Ansehen her ganz vage bekannt vor, aber überall in der Menge verstreut entdeckte ich auch vertraute Gesichter. Es war ein sehr angenehmes Gefühl, zum ersten Male seit so langer Zeit wieder unter Freunden zu sein. Es tat allenfalls ein bisschen weh, dass Howard nicht dabei war.
    »Tu es nicht, Robert«, flüsterte eine Stimme.
    Ich unterdrückte im letzten Moment einen überraschten Ausruf, sah hoch und blickte mich wild um. Aber alles, was ich sah, war eine Mauer aus ausdruckslosen Gesichtern. Niemand hatte gesprochen. Niemand außer mir schien die Worte gehört zu haben!
    Aber ich war doch nicht verrückt!
    »Tu es nicht, Robert!«, wisperte die Stimme erneut.
    Und plötzlich wusste ich, wo sie herkam.
    Die Frau. Die fremde Frau auf der Flüstergalerie!
    Mit einem Ruck sah ich auf. Sie stand noch da, zu weit entfernt, als dass ich ihr Gesicht sehen konnte, und vollkommen reglos. Aber irgendwie spürte ich, dass sie auf mich herabstarrte, und ich wusste auch, dass es ihre Stimme war, die gerade jetzt zum dritten Male sagte: »Tu es nicht, Robert, ich flehe dich an!« So deutlich, als stünde sie neben mir.
    Aber wieso hörte außer mir niemand diese Worte?
    Ich begann aufzufallen. Priscylla berührte mich leicht an der Hand und schüttelte fast unmerklich den Kopf und auch der Priester schenkte mir einen bösen Blick, fuhr aber fort seine Litanei herunterzuleiern. Fast schuldbewusst senkte ich den Kopf und versuchte die Frau dort oben auf der Galerie zu ignorieren. Weiß der Geier, um was für eine Verrückte es sich handelte. Wenn sie die Hochzeit weiter störte, würde ich sie hinauswerfen lassen.
    Einen Moment lang versuchte ich mich wirklich auf das Gebrabbel des Priesters zu konzentrieren, aber es gelang mir nicht. Die Zeremonie nahm ihren Fortgang, während ich mich weiter in der Kirche umsah. Mein Blick streifte die beiden steinernen, überlebensgroßen Engelsfiguren an der Wand hinter dem Altar.
    Einer von ihnen bewegte die Flügel.
    Es ging so schnell, dass ich sehr sicher war, dass außer mir niemand die Bewegung wahrnahm, aber verdammt, ich war ebenso sicher, dass sie sich bewegt hatten. Was in Dreiteufels Namen geschah hier? Verlor ich allmählich den Verstand? Oder hatten mir meine Freunde aus den Dimensionen des Wahnsinnes ein ganz besonderes Hochzeitsgeschenk gemacht?
    Wieder bewegte der steinerne Engel die Flügel. Für einen ganz kurzen Moment blitzte sein Granithaar wie gesponnenes Gold, und für einen noch kürzeren Moment glaubte ich etwas entsetzlich Vertrautes in seinen gemeißelten Zügen zu erkennen.
    »Tu es nicht, Robert«, sagte er ganz deutlich. »Es wäre dein Tod!«
    Ich weiß nicht, woher ich die Selbstbeherrschung nahm nicht aufzuschreien. Aber ich versteifte mich, so plötzlich, dass Priscylla überrascht den Kopf wandte und selbst der Priester einen Moment lang in seinem Genuschel innehielt, um mich strafend anzublicken.
    Seine Züge verschwammen. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich darunter ein entsetzliches

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