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Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Titel: Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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an, die Treppe in umgekehrter Richtung noch einmal bewältigen zu müssen. Die Welt reduzierte sich für mich nur noch auf Stufen und die Wände des engen Schachtes um mich herum. Seltsamerweise war es auch hier hell, obwohl die Wände immer noch undurchsichtig waren.
    Endlich, nach quälend langen Stunden, in denen ich mir mehr als einmal die Frage gestellt hatte, ob diese Treppe überhaupt jemals irgendwo enden würde, erreichte ich eine schmale Plattform an der Spitze des Turmes.
    Bislang hatte ich mich immer für schwindelfrei gehalten. Nun erkannte ich, dass es auch in dieser Hinsicht für jeden Menschen eine Grenze seiner Unempfindlichkeit gab. Meine wurde hier um ein gutes Stück überschritten.
    Es war bei weitem nicht der einzige Turm, der diese Höhe erreichte, nicht einmal der höchste. Dutzende, wenn nicht gar hunderte Gebilde von gleicher oder noch höherer Größe ragten um mich herum auf. Ein Großteil der Gebäude aber schien sich unter mir winzig wie Spielzeughäuser flach an den Boden zu pressen. Der Anblick übertraf alles, was ich jemals gesehen hatte, aber dennoch hielt sich meine zuvor noch fast grenzenlose Bewunderung für die unbekannten Erbauer dieser Stadt jetzt in Grenzen.
    In sehr engen Grenzen.
    Ich glaubte jeden Luftzug wie eine Orkanbö zu spüren. Der Turm schien unter mir zu vibrieren und im Wind hin und her zu schwingen und jede Bewegung des Gerüstes Übertrag sich vielfach verstärkt auf meinen Körper. Es war eine Blasphemie, sich durch die Konstruktion solcher Bauwerke auf eine fast göttergleiche Ebene hinaufzuschwingen und die biblische Parabel vom Turmbau zu Babel kam mir in den Sinn. Mit dem rein gefühlsmäßigen Teil meines Unterbewusstseins, gegen den jede logische Überlegung machtlos war, bildete ich mir ein, das ganze Gerüst würde sich vornüber neigen und müsste jeden Augenblick abknicken oder in sich zusammenbrechen. Himmel und Erde verschmolzen in immer schnelleren Drehungen um mich herum. Minutenlang musste ich die Augen schließen, um das Schwindelgefühl, das meinen Magen langsam aber beständig in meiner Speiseröhre nach oben kriechen ließ, zurückzudrängen. Es half nicht viel, denn immer noch spürte ich die Schwingung des gläsernen Materials unter meinen Füßen.
    Schließlich zwang ich mich die Augen wieder zu öffnen. Obschon ich den Anblick nur wenige Sekunden zu ertragen vermochte, reichte es aus, um mir deutlich zu machen, wie verworren die ganze Anlage der Stadt wirklich war. Sie schien jeder geometrischen Form Hohn zu sprechen. Die Straßen und Gassen verliefen nicht gerade, sondern in vielfachen Windungen und gabelten sich unzählige Male. Wenn ich weiterhin nur blindlings vorwärts irrte, konnte ich mich stundenlang im Kreis bewegen, ohne es überhaupt zu merken. Um den Überblick über das labyrinthartige Gewirr zu behalten, hätte ich schon Flügel wie eine El-o-hym benötigt.
    Im nächsten Augenblick flossen die Konturen der Gebäude wieder ineinander und bevor das Schwindelgefühl übermächtig werden konnte, wandte ich mich würgend um und kletterte in den Treppenschacht zurück. Nach weiteren schätzungsweise hundert Stunden hatte ich das untere Ende der Treppe erreicht. Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, wie ich es überhaupt geschafft habe. Meine Füße schienen sich in unförmige Klumpen verwandelt zu haben und meine Beinmuskeln zu verkrampften, knotigen Strängen geworden zu sein, die meinen Körper bei jeder Bewegung mit einem Geflecht feuriger Schmerzen durchzogen.
    Und doch war meine Erschöpfung mit einem Schlag wie weggewischt, als ich die Gestalt sah, die mich inmitten des leeren Raumes im Erdgeschoss erwartete. Es handelte sich nicht um ein ekelhaftes Shoggotenmonster, nicht einmal um Howard oder einen der anderen hypnotisierten Menschen; und doch traf mich der Anblick wie ein Schlag.
    Es war ein Wesen, das ich einmal geliebt und niemals mehr wiederzusehen geglaubt hatte, denn es war in meinen Armen gestorben.
    Vor mir stand Shadow!
     
    Sein Erwachen war wie das Auftauchen aus einem schwarzen, endlos tiefen Ozean. Es wurde von unvorstellbarer Pein begleitet. Nemo wollte schreien, aber seine Lippen waren taub und reglos; die Zunge lag wie ein pelziger, unnützer Klumpen in seinem Mund. Nur langsam konnte er sich aus seinen Träumen befreien. Visionen stürmten auf ihn ein, Wahnvorstellungen, die seinen Geist zu verwirren drohten. Es war, als ob ein feuriges Schwert durch seinen Körper getrieben würde.
    Nach und nach fielen

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