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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Himmel hinaufsehen konnte. Cordwailer hatte tatsächlich frische Wäsche aufgezogen, aber trotzdem roch alles hier alt und muffig, nach Verfall und Moder, und manchmal glaubte ich das ganze Haus rings um mich herum ächzen zu hören; wie ein uralter Mann, der unter der Last seiner Jahre stöhnte. Durch die dünne Bretterwand konnte ich die Federn von Cohens Bett quietschen hören. Offensichtlich fand er ebenso wenig Schlaf wie ich.
    Ich überlegte gerade zum dritten Mal, ob ich hinübergehen und den Moment ausnutzen sollte, mich mit Cohen auszusprechen und endlich reinen Tisch zu machen, als etwas gegen die Fensterscheibe prallte. Mit einem erschrockenen Ruck setzte ich mich auf, sah zum Fenster und lauschte und nur einen Augenblick später flog ein zweites Steinchen gegen die Scheibe und prallte davon ab.
    Ich stand auf und ging zum Fenster. Ein paar Sekunden verschwendete ich mit dem nutzlosen Versuch, durch das verdreckte Glas mehr als vage Umrisse erkennen zu wollen, dann öffnete ich das Fenster und beugte mich hinaus – genau im richtigen Moment, um den dritten Stein genau ins Gesicht zu bekommen, und zwar mit derart großer Wucht, dass ich Sterne sah. Aber ich unterdrückte jeden Laut, presste nur die Hand gegen die schmerzende Wange und starrte auf die schattenhafte Gestalt herab, die auf der Straße vor Cordwailers Laden stand. Nicht unmittelbar davor, hieß das, sondern fast im Schatten des gegenüberliegenden Gebäudes und so, dass sie jederzeit binnen eines Sekundenbruchteils verschwinden konnte. Ich sah sie auch nur einen kurzen Moment. Als sie mich im Fenster auftauchen sah, hob sie die Hand, winkte mir zu und verschmolz dann vollends mit den Schatten der Nacht.
    Für einen kurzen Moment war ich unschlüssig. Das Benehmen der Person dort unten war eindeutig – sie wollte, dass ich zu ihr herunterkäme, und das möglichst unauffällig. Aber wollte sie nicht, dass Cordwailer etwas bemerkte, oder galt ihre Vorsicht eher Cohen?
    Irgendwie spürte ich, dass es nicht so war – aber für einen Moment erwog ich auch die Möglichkeit, dass es sich bei der nächtlichen Einladung um eine Falle handeln konnte. Aus diesem Grund steckte ich auch den kleinen Revolver ein, mit dem ich mich in London ausgerüstet hatte. Schließlich schlich ich, so leise es ging, aus dem Zimmer und die Treppe hinunter.
     
    Fast gegen seine eigenen Erwartungen war Cohen schließlich doch eingeschlafen; aber nicht lange und es war auch kein besonders erquicklicher Schlaf gewesen. Nach ein paar Minuten nur wachte er schweißgebadet und mit dem Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können, wieder auf. Außerdem tat ihm so ziemlich jeder Knochen im Leib weh. Das Bett, das in der winzigen Kammer stand, die Cordwailer in einem Anfall von Größenwahn Zimmer genannt hatte, war kein Bett, sondern das reinste Folterinstrument. Hätte sich jemand die Mühe gemacht, ein paar Dutzend rostiger Nägel durch das morsche Brett zu treiben, das es anstelle einer Matratze hatte, wäre das Ergebnis auch nicht mehr viel unbequemer ausgefallen.
    Aber das war nicht der einzige Grund für Cohens Schlaflosigkeit. Es war nicht einmal der wirkliche Grund.
    Inspektor Wilbur Cohen hatte Sorgen. Große Sorgen.
    Vielleicht zum ersten Mal, seit er vor nunmehr fast dreißig Jahren seinen Dienst bei Scotland Yard angetreten hatte, wusste er nicht, was er tun sollte. Schlimmer noch – er hatte das fast sichere Gefühl, das Falsche zu tun.
    Cohen hatte sich Zeit seines Lebens immer mehr auf seine Instinkte als auf irgendetwas anderes verlassen; und er hatte (fast) immer richtig damit gelegen. Inspektor Wilbur Cohen war ein guter Polizist – sein Verstand arbeitete schnell und logisch und so präzise wie ein Abakus, wenn es darauf ankam, aber er wäre nie geworden, was er war, hätte er nicht auch über einen gut entwickelten kriminalistischen Instinkt verfügt, der ihn Erklärungen und verborgene Zusammenhänge meist schon lange zuvor erahnen ließ, ehe der analytische Teil seines Bewusstseins die Erklärung dafür nachlieferte.
    Aber in diesem Fall ließen ihn sowohl seine Logik als auch seine Instinkte jämmerlich im Stich. Bei der Logik überraschte ihn das nicht einmal besonders. Mit gesundem Menschenverstand, Logik und naturwissenschaftlichen Erklärungen hatte das, was seit dem Morgen der Hinrichtung geschehen war, weiß Gott nichts mehr zu tun; jeder Versuch, die Geschehnisse irgendwie logisch erklären zu wollen, hätte höchstens dazu geführt, dass er

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