Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II
musste, um überhaupt in die Höhe zu kommen.
»Das soll das heißen, was ich Ihnen die ganze Zeit zu erklären versuche«, antwortete Crowley in einem Ton leiser Verärgerung.
»Ich hatte nie vor, Ihren Körper zu stehlen. Ich habe ihn mir nur für eine Weile … sagen wir: ausgeliehen. Aber nun wird es Zeit, dass wir unseren Tausch rückgängig machen und jeder wieder das bekommt, was ihm gehört. Also werfen Sie diesen albernen Knüppel fort und kommen Sie her.«
Die letzten Worte hatte er scharf und im Tonfall eines Befehles ausgestoßen. Er streckte fordernd die Hand aus, aber ich rührte mich nicht.
»Ich glaube Ihnen nicht«, sagte ich. »Das ist wieder ein neuer Trick.«
Crowley verzog abfällig das Gesicht. »Sie Narr!«, sagte er. »Sehen Sie sich doch an. Sehen Sie sich diesen Körper an und dann fragen Sie sich selbst, ob ich wirklich all diese Jahre hindurch darin geblieben wäre, wenn ich eine andere Wahl gehabt hätte. Ich muss in ihn zurückkehren, ob ich will oder nicht. Aber Sie werden natürlich verstehen, dass ich zuvor gewisse … Vorsichtsmaßnahmen treffen muss.«
Er lachte leise, vergrößerte den Abstand zwischen uns erneut und griff gleichzeitig in die Jackentasche. Als er die Hand wieder hervorzog, hielt sie ein kleines braunes Fläschchen, das er mit den Zähnen entkorkte und an die Lippen setzte, jedoch noch nicht trank.
»Was ist das?«, fragte ich erschrocken.
»Nichts, was Sie beunruhigen müsste«, antwortete Crowley mit einem Lachen, das die Worte Lügen strafte. »Nur ein Schlafmittel. Es wäre ein bisschen unfair, wenn wir die Rollen tauschten, ohne dass ich mich entsprechend absichere. Immerhin weiß ich, wie stark Sie sind.«
Er machte Anstalten, aus der Flasche zu trinken, aber ich hielt ihn mit einer erschrockenen Handbewegung noch einmal zurück. »Was sollte das alles, Crowley?«, fragte ich. »Wenn es nicht mein Körper ist, den Sie wollten, warum dann das alles?«
Crowley zögerte. Ich konnte sehen, wie er angestrengt überlegte, ob er mir antworten sollte. »Es gab gewisse Dinge, die ich tun musste«, sagte er. »Dinge, zu denen gewisse körperliche Voraussetzungen nötig waren – so wie auch gewisse … geistige Kräfte.« Bei diesen Worten tippte er sich mit den Knöcheln der linken Hand gegen die Schläfe. »Es ist eine Schande, dass wir auf verschiedenen Seiten stehen, Craven. Sie ahnen ja nicht einmal, wozu Sie wirklich in der Lage wären. Wissen Sie, dass Sie diese Welt beherrschen könnten, wenn Sie es wollten?«
Wieder dauerte es endlose Sekunden, bis mir der Sinn seiner Worte klar wurde – wenn es wohl auch eher daran lag, dass ich sie nicht begreifen wollte. Aber ich hatte auch noch etwas begriffen, etwas, das mir Crowley verraten hatte, vielleicht ohne es selbst zu ahnen. Ich wusste plötzlich, wieso ich seine Nähe gespürt hatte. Es war nicht nur mein Bewusstsein, das die Nähe seines Körpers spürte und ihn wiederhaben wollte, sondern umgekehrt auch Crowleys geliehener Körper, der die Nähe seines eigentlichen Besitzers fühlte. Der Wechsel würde stattfinden, ob Crowley es wollte oder nicht, und in der Flasche, die er in der Hand hielt, befand sich entweder ein schnell wirkendes Gift oder ein Schlafmittel, das mich unschädlich machen musste, sobald er in seinen eigenen Körper zurückgekehrt war. Und möglicherweise würde er dann die Eisenstange nehmen, die ich mitgebracht hatte, um die Sache endgültig zu einem Abschluss zu bringen. Ich sprang vor, als er das Fläschchen ein zweites Mal an die Lippen setzte. Todesangst und Zorn gaben mir eine verzweifelte Kraft und eine Schnelligkeit, mit der wohl nicht einmal Crowley gerechnet hatte. Mit einem einzigen gewaltigen Satz überwand ich die Entfernung zwischen uns, prallte gegen ihn und schlug ihm die Flasche aus der Hand, noch ehe mehr als wenige Tropfen seine Lippen benetzen konnte. Crowley schrie erschrocken auf und packte mich mit beiden Händen, um mich von sich zu stoßen, aber ich krallte mich mit aller Gewalt an ihm fest, krallte die linke Hand in sein Haar, versuchte mit den Fingern der anderen, nach seinen Augen zu tasten und umschlang gleichzeitig seine Beine mit meinen eigenen. Crowley brüllte vor Zorn, versetzte mir einen Hieb, der mich an den Rand der Bewusstlosigkeit gleiten ließ, aber mein Anprall hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Er wankte, hörte auf, auf mich einzuschlagen und ruderte stattdessen wild mit den Armen, um sein Gleichgewicht zu halten.
Er schaffte es
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