Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II
stehen geblieben war. Sie hatten auf dem Weg hierher kaum ein Wort miteinander gewechselt und Howard verzichtete auch jetzt darauf, ihn anzusprechen. Rowlfs Gesicht war so starr wie eine aus Stein gemeißelte Maske, doch Howard wusste, was in seinem Freund vorging. Es gab nichts, das er hätte sagen können. Die Situation, in der sie sich befanden, gehörte nicht zu denen, in denen Worte irgendetwas ändern konnten.
Nur um nicht weiter tatenlos herumzustehen, was er in diesem Moment einfach nicht ertragen hätte, entfernte sich Howard wieder ein paar Schritte von Rowlf und kletterte auf einen gut mannshohen Trümmerberg hinauf, von wo aus er einen besseren Überblick über die nähere Umgebung hatte. Und doch wünschte er sich beinahe, es nicht getan zu haben. Sie befanden sich in einem Teil der Stadt, in dem im Moment nicht gekämpft wurde. Der Anblick der niedergebrannten, zerborstenen Häuser ringsum bewies zwar, dass diese Ruhe wohl nur eine Atempause war, doch sie waren seit gut fünf Minuten keiner Kampfmaschine mehr begegnet und Howard sah in weitem Umkreis auch nur wenige, kleine Feuer. In einer Entfernung von vielleicht zwei Meilen jedoch bot sich ein völlig anderes, grauenhaftes Bild. Dort schien die ganze Stadt zu brennen. Die Flammen waren zu einer kompakten Mauer zusammengewachsen und züngelten so hoch, dass sie fast die schwarzen Wolken über der Stadt zu berühren schienen. Ganze Schwärme der fliegenden Kampfmaschinen stießen immer wieder vom Himmel herab und warfen Bomben und Raketengeschosse in die Feuerwand und Howard sah, dass auch auf dem Boden Dutzende der großen Kettenfahrzeuge auf das Flammenmeer zurollten, wobei ihre Kanonen ununterbrochen schossen. Inmitten der Flammen bewegten sich große, unförmige Schatten, denen dieser unvorstellbare Angriff offensichtlich galt. Doch obwohl er viel zu weit entfernt war, um irgendwelche Einzelheiten ausmachen zu können, spürte er doch, dass selbst dieses Höllenfeuer, dass die Verteidiger entfacht hatten, den Vormarsch ihrer Gegner nicht wirklich aufzuhalten vermochte.
Schaudernd wandte er sich um und blickte in die entgegengesetzte Richtung. Hinter ihnen lag der Fluss. Sie befanden sich nicht einmal weit von der Tower-Bridge entfernt, doch Howard brauchte Sekunden, um sie überhaupt zu erkennen. Einer der großen Türme stand in Flammen und war halb zusammengebrochen, der andere war völlig verschwunden. Wo er sein sollte, gähnte ein gewaltiger Krater, auf dessen Grund rote Glut loderte. Auch die Brücke selbst war beschädigt. Mindestens einer der Pfeiler war angebrochen und ein Teil der gewaltigen Metallkonstruktion musste unvorstellbaren Hitzegraden ausgesetzt worden sein, denn er war verbogen und schwarz wie ein dünner Draht, den jemand ins Feuer geworfen hatte. Howard bezweifelte, dass es überhaupt noch möglich war, den Fluss auf dieser Brücke zu überqueren.
Sein Blick löste sich von dem entsetzlichen Bild und glitt weiter nach Norden, doch was er dort sah, war fast noch erschreckender. Der Buckingham-Palace hatte sich in ein einziges Flammenmeer verwandelt. Auch über ihm kreisten fliegende Kampfmaschinen, die immer wieder wie Raubvögel herabstießen und ihre tödliche Last auf dunkle, nur als Schemen erkennbare Körper am Boden abluden.
Und auch auf dem Fluss selbst wurde gekämpft. Howard erblickte gleich ein Dutzend unterschiedlich großer Kriegsschiffe, die in voller Fahrt durch das schäumende Wasser der Themse pflügten, zwei von ihnen standen in Flammen, ein drittes war gekentert und neigte sich immer weiter zur Seite, bewegte sich absurderweise aber immer noch. Die Geschütze der übrigen Schiffe feuerten ununterbrochen. Sie nahmen Ziele an beiden Ufern unter Beschuss, aber auch große, formlose Dinge, die sich im Wasser zwischen ihnen bewegten. Howard drehte sich mit einem Ruck herum und sprang von seinem improvisierten Ausguck herunter. Er wollte nichts mehr sehen. Er hatte schon viel mehr gesehen, als ihm recht war.
Rowlf sah ihn an, doch Howard musste die unausgesprochene Frage in seinem Blick nicht beantworten, denn in diesem Moment kam der Soldat zurück. Er ging nicht zu Fuß, sondern saß in einem großen, vierrädrigen Wagen, der sich aus eigener Kraft vorwärts bewegte, wobei er ein ratterndes Grollen und Schnaufen ausstieß. Rowlf riss erschrocken die Augen auf, während Howard nur Erstaunen und eine fast wissenschaftliche Neugier verspürte. Er hatte von diesen Maschinen gehört, die ein deutscher Ingenieur
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