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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht. Aneinander geklammert stürzten wir zu Boden und rollten über Schutt und Trümmer hinweg. Crowley heulte vor Wut, ballte die Faust und ließ sie zwei, drei Mal hintereinander so fest gegen meine Schläfe krachen, dass ich abermals beinahe das Bewusstsein verlor. Etwas Körperloses, Dunkles, sich Windendes war plötzlich in mir, ich hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Eisenkralle gepackt und aus meinem Leib herausgerissen zu werden – und plötzlich fand ich mich auf dem Rücken liegend wieder, eine verkrümmte Greisenhand mit scharfen Fingernägeln, die meine Kopfhaut aufrissen, in mein Haar gekrallt, und dürre, eisige Finger nach meinen Augen tastend, um sie auszustechen.
    Die Erkenntnis traf mich mit solcher Wucht, dass ich eine Sekunde verstreichen ließ, in der ich nicht einmal versuchte mich zu wehren. Ich hatte es geschafft. Meine verzweifelte Hoffnung war wahr geworden; schon der bloße Kontakt zwischen uns hatte ausgereicht, die auseinander gerissenen und gewaltsam falsch wieder zusammengefügten Teile unserer Existenz wieder an ihren angestammten Platz zurückzubringen. Ich hatte meinen Körper zurück. Und damit auch meine Stärke.
    Crowley heulte vor Enttäuschung und Wut auf wie ein getretener Hund, als er begriff, was geschehen war, aber ich ließ ihm keine Gelegenheit, noch irgendetwas daran zu ändern. Fast ohne Mühe schlug ich seine Hände beiseite, richtete mich auf und stieß ihn von mir. Er fiel zu Boden, keuchte vor Schmerz, versuchte sich aufzurichten und stürzte gleich darauf ein zweites Mal nieder, was möglicherweise auch an meinem Fuß lag, der reichlich unsanft in seinem Gesicht landete.
    Ich verspürte kein Mitleid. Die Kreatur vor mir sah aus wie ein alter, schwacher Mann, aber sie war nichts von alledem, nicht einmal ein Mensch, sondern eine Bestie, ein gnadenloses Ungeheuer, das in den Jahrhunderten seiner Existenz Tausende, wenn nicht Millionen von Menschen getötet hatte. Ich packte ihn, riss seinen dürren Körper, der beinahe nichts zu wiegen schien, ohne die mindeste Anstrengung vom Boden hoch und versetzte ihm zwei, drei Fausthiebe, die ihn reglos in meinem Griff zusammensacken ließen. Nicht nur aus reiner Grausamkeit, obgleich ich gestehen muss, dass mein Zorn auf Crowley in diesem Moment so groß war, dass ich eine diabolische Freude daran fand, ihm wehzutun, sondern auch und vor allem, um sicher zu gehen, dass er sich nicht doch noch im letzten Moment irgendeine Teufelei einfallen ließ. Allerdings wollte ich ihn nicht umbringen. Wenigstens jetzt noch nicht.
    »So!«, sagte ich schwer atmend. Meine Stimme zitterte. Meine rechte Hand hing, zur Faust geballt, über seinem Gesicht und es kostete mich alle Mühe, nicht weiter auf ihn einzuschlagen. »Und jetzt werden Sie mir verraten, was das alles sollte! Warum haben -«
    »Lassen Sie ihn los!«
    Die Stimme war so scharf wie ein Peitschenknall und zugleich mit dem Klang ihrer Worte traf mich der Hieb einer unsichtbaren, glühenden Faust. Ich schrie vor Schmerz auf, ließ Crowley los und fiel auf die Knie herab. Die unsichtbare Kralle traf mich erneut, aber diesmal schlug sie nicht zu, sondern bohrte sich mit unvorstellbarer Kraft in mein Gehirn und versuchte es zu zermalmen. Ich schrie in Agonie auf und begann um mich zu schlagen. Grellweiße Flammen aus Pein explodierten vor meinen Augen und jeder einzelne Nerv in meinem Körper schien Feuer gefangen zu haben. Ich wankte, stürzte hilflos zu Boden und rollte auf die Seite, aber die Qual nahm nicht ab, sondern im Gegenteil immer weiter und weiter zu, bis sie die Grenzen des überhaupt Vorstellbaren erreichte, überstieg und immer noch weiter zunahm.
    Das Letzte, was ich sah, ehe meine Sinne schwanden, war Joshua, der unter der Tür der Bibliothek erschienen war und aus mordlustig funkelnden Augen auf mich herabblickte.

 

     
     
    Die Stadt brannte. An einem Dutzend Stellen schlugen turmhohe weiß glühende Flammen in die Luft, als wären inmitten des Häusermeeres feuerspeiende Vulkane ausgebrochen, und der Himmel war hinter einer Decke aus schwarzen brodelnden Wolken verschwunden, aus denen sich Glut und brennende Trümmer über die Stadt ergossen. Der Boden erzitterte ununterbrochen unter dem Donnergrollen schwerer, unablässig aufeinander folgender Explosionen, die den Horizont im Osten in einen Vorhang wabernder Glut tauchten und ein stroboskopisches Lichtgewitter über die Stadt schleuderten. In der Luft lagen Staub und ein Brandgeruch, der das Atmen zur

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