Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II
Qual machte, und sie mussten nicht nur darauf Acht geben, nicht von einem der vom Himmel stürzenden glühenden Trümmerstücke getroffen zu werden, sondern auch, wohin sie ihre Schritte lenkten, denn überall in den Straßen klafften breite, gezackte Risse, aus denen manchmal Flammen oder auch schwarzer ätzender Rauch stiegen.
London lag im Sterben. Die ehemals blühende Themse-Metropole hatte sich in ein brennendes Schlachtfeld verwandelt, über das Explosionen und Feuerstürme tobten, dessen verheerte Straßenzüge voller in Panik flüchtender Menschen und großer, eiserner Kampfmaschinen war, die sich auf rasselnden Ketten vorwärts bewegten und mit riesigen Geschützrohren auf einen Gegner feuerten, den Howard immer noch nicht wirklich erkannt hatte. Manchmal glaubte er große, formlose Umrisse über den schwarzen Himmel gleiten zu sehen und vor einigen Augenblicken hatte sich aus den Trümmern neben der Straße ein Projektil auf einem Flammenstrahl erhoben und einen dieser Schatten getroffen, woraufhin er auseinander geborsten und in brennenden Fetzen zu Boden gestürzt war.
Howards Hoffnung, von ihrem geheimnisvollen Retter etwas über die Bedeutung dieser furchtbaren Geschehnisse zu erfahren, hatte sich bisher nicht erfüllt. Sie waren dem Mann aus dem Kellergeschoss eines vollkommen zerstörten Hauses an die Oberfläche gefolgt und hatten sich jäh inmitten dieser apokalyptischen Schlacht wiedergefunden. Seither hatten sie einfach keine Gelegenheit mehr gehabt, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln. Sie folgten ihm jetzt seit einer halben Stunde, in der sie sich in grob westlicher Richtung bewegt hatten, und es kam Howard schon wie ein kleines Wunder vor, dass sie überhaupt noch lebten. Wer immer in dieser bizarren Schlacht auch gegen wen kämpfte – es schien keine Front zu geben, an der die beiden gegnerischen Kräfte aufeinander prallten. Vielmehr hatte sich ganz London in ein gigantisches Schlachtfeld verwandelt und der Kampf fand nicht nur am Boden, sondern auch in der Luft und zu Wasser statt. Außer den riesigen formlosen Ungeheuern sah Howard auch Schwärme von motorgetriebenen Flugmaschinen, übergroßen, plumpen Vögeln mit starren Flügeln gleich, die mit Maschinengewehren oder feuergetriebenen Projektilen auf ihre fliegenden Gegner schossen, aber auch Ziele am Boden angriffen.
Einmal waren sie sogar selbst angegriffen worden. Weder Howard noch Rowlf hatten die Gefahr bemerkt, doch ihr Führer war plötzlich stehen geblieben und herumgefahren und hatte aus seiner sonderbaren Waffe das Feuer auf einen Schatten eröffnet, der plötzlich aus den Trümmern eines verbrannten Hauses herausgesprungen war. Howard hatte nicht erkennen können, worum es sich handelte, auf jeden Fall war es zu groß für einen Menschen, ja, selbst für ein TIEFES WESEN, und es bewegte sich auf eine unheimliche Art, die er nicht einmal in Worte fassen konnte. Doch was immer es gewesen war, die Waffe ihres Begleiters hatte es so rasch und präzise getötet, wie sie die beiden TIEFEN WESEN ausgeschaltet hatte. Howard wäre gern zu dem Kadaver hinübergerannt, um wenigstens einen Blick darauf zu werfen, aber ihr Führer hatte dies nicht zugelassen, sondern ihn nur mit heftigem Gestikulieren zum Weitergehen aufgefordert.
Nun aber blieb er plötzlich von sich aus stehen, warf einen Blick in die Runde und machte ein nachdenkliches, besorgtes Gesicht.
»Was haben Sie?«, fragte Howard alarmiert. »Gibt es ein Problem?«
Der Mann sah ihn auf eine Art an, als zweifle er ernsthaft an seinem Verstand, dann lachte er; aber ohne die mindeste Spur von wirklichem Humor. »Ein Problem? Man hat mir nicht gesagt, dass Sie ein Witzbold sind, Mann. Wir haben eine ganze Menge Probleme. Wenn Sie mir nicht glauben, dann schauen Sie sich doch einmal um!« Er schüttelte hastig den Kopf und machte eine abwehrende Geste, als Howard antworten wollte. »Wir müssen über den Fluss«, sagte er. »Aber das schaffen wir nicht zu Fuß. Wir brauchen ein Fahrzeug.« Er brach ab, sah sich abermals suchend und aus aufmerksam zusammengekniffenen Augen um und machte plötzlich eine befehlende Geste.
»Sie bleiben hier«, sagte er. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle, egal, was passiert. Ich bin in drei Minuten zurück.«
Er ging, ohne auch nur eine Antwort abzuwarten und Howard sah ihm nach, bis er zwischen den Trümmern auf der anderen Seite der Straße verschwunden war. Dann wandte er sich um und ging zu Rowlf, der in zwei Schritten Abstand
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