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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht hierher gehörte und dessen Anwesenheit nicht ungesühnt bleiben konnte. Für einige Sekunden musste er gegen die bizarre Vorstellung kämpfen, dass allein der Klang ihrer Stimmen ausreichte, um die schrecklichen Wesen, die diese Stadt einst bewohnt hatten, zu neuem Leben zu erwecken. Trotzdem antwortete er: »Ja. Aber weißt du, was noch viel unheimlicher ist?«
    Rowlf schüttelte den Kopf und Howard fuhr mit einer weit ausholenden Bewegung in die Runde fort: »Diese Stadt ist zerstört, Rowlf. Irgendetwas … hat sie vernichtet. Schon vor langer Zeit. Vielleicht …« Er dachte an den Schatten, den er von der Stadt der Eloi aus im Meer gesehen hatte. »… schon vor der Zeit der Eloi und Morlocks. Aber was auf der Welt ist in der Lage, solche Zerstörungen anzurichten?«
    »Vielleich isse einfach verfalln?«, nuschelte Rowlf. »Ich mein, vielleich sinse einfach weggegang un ham das alles liegn lassn.«
    Auch Howard hatte diese Erklärung bereits erwogen – und wieder verworfen. Der Gedanke war verlockend – und eindeutig zu einfach. Irgendetwas sagte ihm, dass die Erklärung viel schrecklicher sein würde.
    Und er wusste auch, wo er sie finden würde.
    Ohne ein weiteres Wort schritt er schneller aus, direkt auf die schwarze Pyramide im Herzen der Albtraumstadt zu.
     
    Alles, was ich fühlte, war ein leichter Schlag gegen den Hals. Er tat nicht einmal wirklich weh. Trotzdem wusste ich, dass die Wunde tödlich sein musste. Der Dolch war scharf wie ein Skalpell und vermutlich war das der Grund, aus dem ich nicht einmal Schmerz spürte, als der Stahl in meine Kehle eindrang. Ich empfand auch keinen wirklichen Schrecken – dazu war ich viel zu schockiert und zu überrascht. Ich hatte einen Fehler gemacht. Ich hätte Cohen nicht vertrauen dürfen. Entweder der Mann, den ich in Hennesseys Höllenturm wiedergesehen hatte, war nicht der wirkliche Cohen, oder aber das Geschehen hatte seinen Geist völlig verwirrt. Aber warum auch immer, blieb sich im Grunde gleich – ich war einmal zu vertrauensselig gewesen und dieses eine Mal würde ich mit dem Leben bezahlen.
    Cohen trat mit einem zornig klingenden Knurren zurück und schwenkte triumphierend seine Waffe, während ich entsetzt die Hände vor den Hals schlug und auf den warmen, pulsierenden Strom wartete, mit dem das Leben aus mir herausschießen musste.
    Er kam nicht.
    Unter meinen Fingern war kein klaffender Schnitt, sondern glatte, unversehrte Haut. Auch der entsetzliche Schmerz, auf den ich wartete, blieb aus.
    Und für die nächsten zehn Sekunden stand ich einfach nur da, starrte das Messer in Cohens Händen an, auf dessen Klinge nicht ein einziger Blutstropfen zu sehen war, und verstand die Welt nicht mehr.
    »Was …?«, murmelte ich verständnislos und nahm endlich die Hände herunter.
    Cohen grinste breit, aber das Lächeln blieb auf sein Gesicht beschränkt. Seine Augen blieben so ernst wie zuvor. Mit einer raschen Bewegung drehte er den Dolch herum, setzte die Spitze auf seine Brust, genau über dem Herzen, und stach zu.
    Er blieb ebenso unversehrt wie ich. Die Messerklinge glitt lautlos in den verzierten Griff zurück, wobei sie sich mindestens zwei Mal zusammenschieben musste, denn sie war sehr viel länger als das Griffstück, und kam mit einem hörbaren Schnappen wieder heraus, als Cohen die Waffe zurückzog. Der Dolch war nichts anderes als eine Attrappe, ein Theaterdolch, wie ihn Schauspieler verwendeten, wenn sie bei der Darstellung eines Mordes in ihren Stücken nicht jedes Mal auf einen neuen Komparsen zurückgreifen wollten.
    »Was … ist das?«, murmelte ich verstört. Ich kam mir mittlerweile reichlich blöd vor und Cohen gab sich nicht die mindeste Mühe, mir dieses Gefühl zu nehmen.
    »Das«, sagte er betont, »ist der Dolch, mit dem Crowley Sie in London ermorden wollte, Craven.« Er reichte mir die Waffe. Verwirrt nahm ich sie entgegen, drehte sie in den Händen und drückte die Klinge ein paar Mal mit der Spitze des Zeigefingers in den Griff zurück und ließ sie wieder herausschnappen. Nur, wenn man ganz genau hinsah, sah man die winzigen Linien, die sich über das scheinbar makellose Metall zogen. Tatsächlich bestand die Klinge aus drei Teilen, die ineinanderglitten, ehe sie allesamt im Griff verschwanden. Es war ein Stück von wahrhaft meisterlicher Handwerkskunst – aber irgendwie war ich im Moment nicht in der Stimmung, sie gebührend zu bewundern.
    »Crowley hatte niemals vor Sie umzubringen, Craven«, fuhr Cohen fort.

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