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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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braunschwarze Morast war voller Fäden.
    Sie waren nicht länger als mein kleiner Finger und dünn wie Haare. Man hätte sie für Wurzeln halten können, hätten sie sich nicht bewegt, oder Würmer, hätte ihre Berührung nicht wie Säure auf der Haut gebrannt.
    Mit einem Satz sprang ich auf, hielt den Arm so weit wie möglich vom Körper fort und vollführte hektische, wedelnde Bewegungen mit der Hand, um die grässlichen Anhängsel abzuschütteln. Es gelang mir nicht völlig. Die meisten stürzten zu Boden und landeten mit einem widerlichen weichen Klatschen im Schlamm, aber einige hatten sich wie winzige Lassos um meine Finger geringelt und fraßen sich unbarmherzig durch meine Haut. Der Schmerz war nicht einmal sehr intensiv, aber von einer Art, die ihn beinahe unerträglich werden ließ; es war, als zögen sich Schlingen aus dünnem, glühendem Draht um meine Finger zusammen.
    Cohen kam herbeigestolpert, sah mich eine Sekunde lang verwirrt und erschrocken an, dann, als er erkannte, was geschah, stieß er einen halblauten, erschrockenen Ruf aus. Trotzdem reagierte er mit erstaunlicher Kaltblütigkeit. Rasch ergriff er meine Hand und hielt sie fest, griff mit der anderen unter seine Jacke und zog den schmalen Dolch hervor, mit dem er zuvor Crowley bedroht hatte. Mit einer Ruhe, die mich angesichts des unheimlichen Geschehens mehr als alles andere in Erstaunen versetzte, schob er die Klinge unter die dünnen Fäden, die meine Finger unbarmherzig aneinander fesselten, und schnitt sie mit zwei, drei entschlossenen Rucken durch. Das zerrissene Gewebe fiel zu Boden, bewegte sich aber dort weiter; jedes einzelne Teil schien von eigenem Leben erfüllt zu sein, wie Regenwürmer, die man geteilt hatte und die trotzdem weiterlebten.
    Cohen zog mich am Arm ein Stück weit von der Küste fort, während ich meine vor Schmerz pochende, blutende Hand gegen den Körper presste, und das Heulen des Sturmes verstärkte sich abermals. Die Windböen hatten jetzt eine solche Gewalt, dass es uns kaum noch möglich war, uns auf den Beinen zu halten; ganz zu schweigen davon, etwa miteinander zu reden.
    Cohen gestikulierte wild. Ich war nicht ganz sicher, ob ich die Bedeutung seiner Bewegungen überhaupt verstand; trotzdem nickte ich und ließ mich beinahe willenlos von ihm mitzerren. Ich wäre in diesem Moment auch gar nicht in der Lage gewesen, irgendeine vernünftige Entscheidung zu treffen. Der pochende Schmerz in meiner rechten Hand wurde nicht besser, sondern im Gegenteil mit jeder Sekunde schlimmer; und in meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Was geschehen wäre, wäre ich auch nur ein Stück weit mehr nach rechts in den Schlamm gestürzt und hätte statt mit der Hand mit dem Gesicht das Shoggotennest unter dem Morast berührt, wagte ich mir gar nicht erst vorzustellen.
    Erst nach einer geraumen Weile fand ich halbwegs in die Wirklichkeit zurück. Cohen zerrte mich immer noch wie ein Kind am Arm hinter sich her und ich stolperte mehr, als ich ging. Der Sturm hielt mit unverminderter Wucht an und über den Himmel stürmten schwarze Wolken wie fliegende Gebirge. Ich hob im Laufen den Kopf und sah, dass der Mond, der nur manchmal durch eine Lücke in dem brodelnden schwarzen Chaos über unseren Köpfen sichtbar wurde, zu einer perfekten Scheibe gerundet war. Und – war es tatsächlich nur Einbildung? – er schien mir größer als normal, als wäre er ein Stück weit näher an die Erde herangekommen. Wieder schoss mir durch den Kopf, dass es Vollmond war, und jetzt war ich sicher, dass dies kein Zufall mehr sein konnte. Crowley hatte den Moment für seine Beschwörung mit Bedacht und großer Sorgfalt gewählt; und vermutlich war dies der einzige Grund, aus dem er und seine Helfer uns nicht schon in der vorhergehenden Nacht überwältigt hatten. Ich habe nie viel um Astrologie gegeben, doch der Einfluss des Vollmondes auf den Menschen und sein Verhalten ist unbestritten, und zum allerersten Mal kam mir der Verdacht, dass vielleicht auch dies Teil des allumfassenden Planes der GROSSEN ALTEN zur Eroberung unserer Welt sein mochte, dass die Erde vielleicht nicht die einzige Welt dieses Sternensystemes war, auf der die schreckliche Dämonenrasse Fuß gefasst hatte. Ja, dass sie vielleicht von dort aus, unerreichbar für uns und unangreifbar für alles, was wir gegen sie unternehmen mochte, ihre finsteren Pläne spann.
    Cohen ließ mir keine Zeit den Gedanken weiter zu verfolgen, sondern stieß mich grob vor sich her, und erst als ich

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