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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihm für diese Missachtung seiner Wünsche sogar dankbar, auch wenn er das niemals laut zugegeben hätte. Er hatte plötzlich Angst, allein zu sein. Zum ersten Mal im Leben hatte er Angst vor der Dunkelheit, die hier drinnen herrschte, und es war eine Furcht, gegen die alle logische Überlegung und jedes rationale Denken hilflos waren. Er spürte den Odem der einstigen Bewohner dieser Stadt mit jeder Sekunde deutlicher. R’lyeh war nicht einfach nur eine Ruinenstadt. Etwas vom Geist ihrer einstigen Beherrscher war zurückgeblieben, wie ein übler Geruch, der sich an jeden Stein, jedes Stück Metall, jeden Fußbreit Boden, ja, selbst die Schatten in den Winkeln und Nischen geheftet hatte und nie wieder ganz weichen würde. Erneut hatte Howard das überdeutliche Gefühl, sich an einem Ort zu befinden, an dem er nicht sein sollte. Und erneut und lauter als zuvor meldete sich ein schwacher Rest seiner Vernunft und schrie ihm zu wegzulaufen, diesen Ort zu verlassen, solange er es noch konnte. Aber er ignorierte die lautlose Stimme hinter seiner Stirn auch jetzt. Etwas sagte ihm, dass er schon zu weit gegangen war. Wenn es in dieser Stadt noch irgendetwas gab, was sie mit ihrem Eindringen aufwecken konnten, dann hatten sie das bereits getan.
    Kaum einen Schritt vor der Nische in der Wand blieb er stehen. Wie fast alles, was die GROSSEN ALTEN erschaffen hatten, war auch diese Statue nicht wirklich zu erkennen; Howards Blick schien davon abzuprallen wie ein Lichtstrahl von der Oberfläche eines Spiegels, sodass er sich mit immer größerer Anstrengung zwingen musste, die Gestalt aus schwarzem Stein anzusehen. Immerhin erkannte er jetzt, dass sein erster Eindruck nicht richtig gewesen war: Die Figur stellte keinen Dämon, sondern eindeutig einen Menschen dar. Die Proportionen, die ihm beim ersten Hinsehen so falsch vorgekommen waren, waren die eines Kindes, eines nackten, schlanken Knaben von zwölf, vielleicht dreizehn Jahren. Sein Gesicht war schmal und fein geschnitten und obgleich es Howard immer noch nicht gelang, es wirklich anzusehen, glaubte er doch etwas Vertrautes darin zu entdecken.
    Der Eindruck beunruhigte ihn mehr, als er zugeben wollte. Trotz allen Unwohlseins, mit dem der Anblick ihn erfüllte, zwang er sich noch einmal und genauer hinzusehen. Bei aller Fremdartigkeit – die zum größten Teil von der bizarren, schier unmöglich anmutenden Haltung der Knabenstatue herrührte – spürte er etwas auf furchtbare Weise Bekanntes in dem steinernen Gesicht.
    »Robert!«
    Howard fuhr herum. Rowlf war einen halben Schritt hinter ihm stehen geblieben und starrte aus weit aufgerissenen Augen auf die Statue. Sein Gesicht hatte auch noch das letzte bisschen Farbe verloren. Seine Hände, die in einer deutenden Geste halb erhoben waren, zitterten.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Howard. Die Frage war unnötig. Er hatte Rowlf sehr gut verstanden und er hatte im gleichen Moment begriffen, was er meinte. Aber es war, als versuche etwas in ihm mit verzweifelter Kraft, auf diese Weise wenigstens noch eine einzige, letzte Sekunde zu gewinnen, ehe er sich der schrecklichen Wahrheit stellen musste.
    »Robert!«, wiederholte Rowlf. Er hob die Hand und deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf das steinerne Kindergesicht. »Mein Gott, Howard, das is Robert!«
    Langsam, wie gegen eine furchtbare lähmende Kraft ankämpfend, drehte sich Howard wieder herum und sah die schwarze Statue vor sich an. Sein Herz klopfte; langsam, aber so schwer, als wolle es jeden Moment aus seiner Brust herausspringen. Er spürte, wie sich jedes einzelne Haar auf seinem Kopf sträubte, und ein Schauer eisiger Kälte lief über seinen Rücken. Er hatte es gewusst. Er hatte das Gesicht der Statue schon im allerersten Moment erkannt, aber er hatte es einfach nicht wahrhaben wollen. Nun aber gab es keinen Weg mehr, die Augen davor zu verschließen. Es war genau so, wie Rowlf gesagt hatte:
    Die steinerne Kinderstatue in der Nische vor ihm trug Robert Cravens Gesicht.
     
    Es verging noch fast eine halbe Stunde, ehe Landon und die anderen zurückkamen. Ich hatte keinen Schlaf mehr gefunden – ich hatte es nicht gewagt, wieder einzuschlafen, aus Furcht, die Augen zu öffnen und mich um weitere Jahre oder Jahrzehnte gealtert zu finden – aber ich war in einen Dämmerzustand irgendwo auf der schmalen Grenze zwischen Wachsein und Schlaf gesunken, aus dem ich erst durch das Geräusch polternder Schritte und zorniger Stimmen wieder aufschrak. Schon die

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