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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu Krallen verkrümmte Skeletthände, die von trockener grauer Haut überzogen waren. Es waren nicht die Hände eines Greises, sondern die eines lebenden Toten.
    Entsetzt richtete ich mich auf, tastete mit spitzen Fingern über mein Gesicht und fühlte faltige, rissige Haut, so trocken wie Pergament. Meine Bewegung ließ wieder einige der anderen aufsehen, aber ich ignorierte ihre ärgerlichen Blicke und sah mich wild nach irgendetwas um, in dem ich mich selbst betrachten konnte. Nach einigen Momenten gewahrte ich eine verdreckte Spiegelscherbe, die neben Landons Sachen auf dem Boden lag. Ich beugte mich hinüber, nahm sie auf und wischte sie mit dem Ärmel meiner Jacke sauber, so gut es ging.
    Einen Moment später wünschte ich mir fast, es nicht getan zu haben. Das matte Glas zeigte mir Crowleys Gesicht – aber es war nicht mehr das Gesicht eines Neunzigjährigen. Während ich geschlafen hatte, hatte es sich verändert. Aus einem hohlwangigen, faltenzerfurchten Antlitz, das eher an einen Totenschädel als an das Gesicht eines lebenden Menschen erinnerte, starrten mich trüb gewordene Augen an, die so tief in ihre Höhlen zurückgesunken waren, dass sie wie schwarze Löcher wirkten, in denen kaum noch Leben war.
    Zitternd und mit wild schlagendem Herzen saß ich da und versuchte ebenso verzweifelt wie vergeblich, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Aber es gelang mir nicht, denn sie war so simpel wie grausam: Meine schlimmsten Befürchtungen waren Wahrheit geworden; ich alterte. Crowleys Körper, von finsterer Magie vor dem natürlichen Zugriff der Zeit bisher geschützt, begann die gestohlene Zeit mit Riesenschritten wieder einzuholen.
    Ich hatte vielleicht eine Stunde geschlafen, wahrscheinlich weniger, aber ich war in dieser kurzen Zeit um mindestens zwanzig Jahre älter geworden.
     
    Unendlich behutsam näherte sich Howard der Nische. Er hatte mehr als fünf Minuten gebraucht, um einen Weg hinunter auf den Hallenboden zu finden, und seine schlimmsten Befürchtungen waren noch übertroffen worden. Was wie eine Schicht aus flockig zusammengebackenem Staub ausgesehen hatte, das erwies sich als klebriger Morast, in den er bei jedem Schritt bis weit über die Knöchel einsank und sich nur mit Mühe befreien konnte. Die Hitze und das rote Licht der Sonne suggerierten eine Wüstenatmosphäre, die es nicht gab. Auch wenn die Tide in dieser unheimlichen Welt der Zukunft Wochen oder vielleicht sogar Monate dauern mochte, wie George vermutet hatte, so befanden sie sich dennoch in einem Gebäude, das manchmal auf dem Grund des Meeres lag. Die Zeit der Trockenheit hatte ausgereicht, die oberste Schicht des Morastes erstarren zu lassen, doch sie war weder dick noch tragfähig genug, um nicht unter dem Gewicht seines Körpers einzubrechen. So bewegte sich Howard wie auf dünnem Eis dahin, das unter seinen Schritten unentwegt nachgab; zu einem ebenso Kräfte zehrenden wie grotesk anmutenden Balanceakt zwischen einem zu schnellen Schritt, der ihn vollends einbrechen und möglicherweise versinken lassen mochte, und einem zu langsamen Weitergehen, das das gleiche Ergebnis haben konnte, gezwungen. Trotzdem verschwendete er nur einen geringen Teil seiner Aufmerksamkeit darauf. Ungleich wichtiger erschien es ihm die Nische mit der Dämonenstatue im Auge zu behalten.
    Er konnte sie jetzt deutlicher erkennen. Das Geschöpf, das sie darstellte, war weder Mensch noch Dämon, sondern eine bizarre Mischung aus beidem, und es war offensichtlich von der Hand eines Künstlers gefertigt, der sehr viel mehr guten Willen als Können besessen hatte. Die Gestalt wirkte nicht erschreckend, sondern in ihrem vergeblichen Versuch, es zu sein, schon beinahe rührend.
    Aber es war auch nie ihr Aussehen gewesen, das Howard bis ins Mark erschüttert hatte. Es war die Tatsache, dass sie buchstäblich aus dem Nichts erschienen war. Howard war sicher, sich nicht getäuscht zu haben. Als er das erste Mal hingesehen hatte, war diese Nische so leer wie alle übrigen gewesen.
    Er näherte sich der Wand, in der sich die Nische befand, so vorsichtig, als fürchte er, dass sie jeden Moment zum Leben erwachen und mit spitzen Zähnen nach ihm schnappen würde – was der Wahrheit sogar ziemlich nahe kam. Rowlf folgte ihm in einigen Schritten Abstand; Howard hatte ihm zwar befohlen zurückzubleiben, aber natürlich hatte Rowlf diesen Befehl ignoriert – wie meistens, wenn Howard sich in eine Situation begab, die gefährlich werden konnte. Im Stillen war er

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