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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mir emporragte.
    Der Anblick erfüllte mich mit einer Mischung von Faszination und Grauen. Die vier Giganten waren Menschen, ganz eindeutig; ich erkannte sie sogar – es waren Landon, Hank, der blinde Steve und sein Bruder, die ich vor wenigen Augenblicken erst noch aus meinen menschlichen Augen hatte unser Lager verlassen sehen. Aber nun erblickte ich sie aus denen des Tieres und sie sahen nicht einfach nur größer aus. Nie hatte ich Menschen so plump und gewalttätig erblickt; Gestalten, die nicht einfach nur zu den Dimensionen von Giganten herangewachsen waren, sondern zugleich auch an Bedrohlichkeit gewonnen hatten; auf eine Art, die ich nicht in Worte zu fassen vermochte. Ich sah die vier durch den Filter eines Bewusstseins, für das Wesen wie sie vom ersten Tag an Feinde gewesen waren, Geschöpfe, die sich zwar lächerlich langsam und plump bewegten, trotzdem aber nichts anderes als Gefahr bedeuteten.
    Den anderen Tieren erging es wohl ebenso. Eine unruhige, flatternde Bewegung lief durch die Reihen der grau gefiederten Körper, die auf Dachbalken, auf staubigen Kisten und Trümmerstücken saßen, und auch ich verspürte plötzlich den kaum noch zu unterdrückenden Impuls, die Flügel zu spreizen und davonzufliegen, so schnell ich konnte.
    Aber da war auch noch etwas. Erneut fühlte ich die Anwesenheit eines weiteren Bewusstseins, das bisher tief unter den Gedanken der Taube verborgen geschlummert hatte, wie ein aufmerksamer Beobachter, aber es war da. Es war mir immer noch nicht möglich seine Gedanken oder Ziele zu erraten, doch ich fühlte, dass irgendetwas geschah.
    Die vier Giganten begannen sich jetzt wieder zu bewegen, zugleich hörte ich Laute, die ich erst nach Sekunden als das erkannte, was sie wohl waren: den Klang menschlicher Stimmen. Aber wie das Aussehen der vier Männer, hatte sich auch der Klang ihrer Stimme auf schreckliche Weise verändert – ich verstand keine Worte, sondern hörte nur ein dunkles, ungemein tiefes Grollen und Rumoren, Töne, die zu einem gut Teil unterhalb der Grenze dessen lagen, was ich überhaupt hören konnte, sodass ich sie vielmehr spürte. Zugleich strebten sie auseinander. Landon und Hank näherten sich einer Gruppe Tauben, die nicht weit von mir entfernt auf einer Kiste hockten, die beiden anderen entfernten sich für einen Moment in die entgegengesetzte Richtung und kehrten dann in großem Bogen zurück, wohl um die Tiere einzukreisen und ihnen jede Fluchtmöglichkeit zu nehmen.
    Natürlich waren sie zu langsam. Ihre Bewegungen waren geradezu lächerlich plump und dazu so sehr voraussehbar, dass es keinem der Tiere schwer gefallen wäre, ihnen auszuweichen.
    Aber sie taten es nicht.
    Etwas Unheimliches geschah. Obwohl ich es nicht wirklich verstand, spürte ich doch, dass es irgendwie mit dem fremden Bewusstsein in mir zu tun hatte. Es war, als griffe der Geist der Taube – oder das, was von mir Besitz ergriffen hatte – hinaus nach dem Denken der anderen Tiere und befahl ihnen Dinge zu tun, die gegen ihre Natur waren. Die Tiere erhoben sich in einer einzigen, synchronen Bewegung, schwangen sich in die Höhe und herum, um den plump nach ihnen grabschenden Riesenhänden auszuweichen – und stießen plötzlich auf die Männer herab!
    Wäre ich ein Mensch gewesen, hätte ich einen überraschten Schrei ausgestoßen. So aber saß ich einfach nur da und sah fassungslos zu, wie meine gefiederten grauen Brüder auf zwei der vier Männer herabstießen und mit Schnäbeln und Krallen nach ihren Gesichtern schlugen.
    Die Überraschung der beiden war unübersehbar. Sie taumelten zurück, wobei sie schützend die Hände über die Gesichter rissen und ungeschickt nach den kleinen Angreifern schlugen. Schnäbel und Krallen trafen ihre Haut und rissen sie auf. Was von meinem Standpunkt aus furchtbare Wunden waren, aus denen sich Ströme von Blut ergossen, das waren in Wirklichkeit jedoch nur Kratzer, die die Männer kaum spürten. Was sie zurückweichen ließ, das war nur die völlige Überraschung über diesen Angriff, der nicht nur warnungslos gekommen war, sondern auch vollkommen gegen die Natur der an sich harmlosen Tiere ging. Und sie erholten sich sehr schnell davon. Plötzlich zuckte eine riesige Hand vor, packte den Flügel einer Taube und schloss sich so fest darum, dass ich hören konnte, wie die empfindlichen Hohlknochen brachen. Das Tier stieß ein schmerzerfülltes Pfeifen aus und flatterte wild mit der anderen Schwinge, konnte sich aber nicht losreißen. Eine

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