Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II
Sekunde mehr an Substanz. Und der schreckliche Wandel war nicht nur auf die leblosen Teile der Stadt beschränkt. Einige der Schatten bewegten sich. Es war Howard nicht möglich, irgendeine Form zu erkennen. Da waren rauchige, dunkle Etwasse, die mit unheimlichen Bewegungen zwischen den Phantomgebäuden einherglitten, große peitschende Gebilde wie Wolken aus Nebel, in denen es unentwegt zuckte und brodelte, als versuche dort eine Form sich zu bilden, die immer wieder auseinander getrieben wurde, sich mit jedem Versuch, dem wirklichen Sein um ein winziges Stückchen weiter näherten.
Eines dieser Gebilde glitt direkt auf Howard und Rowlf zu. Rowlf merkte die Gefahr rechtzeitig und wich mit einem erschrockenen Ausruf zur Seite, doch Howard war zu sehr von der morbiden Faszination dessen gefangen, was er sah, um noch früh genug zu reagieren. Die Schattengestalt erreichte ihn, berührte ihn – und glitt geradewegs durch ihn hindurch.
Körperlich fühlte er rein gar nichts – weder Hitze noch Kälte, nicht die allermindeste Berührung. Aber etwas in seiner Seele schrie auf und krümmte sich wie ein Wurm, der dem Feuer eines Vulkans zu nahe gekommen war, als ihn das Schattenwesen streifte. Dann war es vorbei und Howard blieb mit klopfendem Herzen und am ganzen Leibe zitternd stehen. Als sich ihm ein zweites der unheimlichen Gespenster näherte, wich er mit einer fast panischen Bewegung zur Seite.
Zum dritten Mal spürte er die Annäherung von Übelkeit und Schwindel und dieses Mal war es ungleich schlimmer als zuvor. Die Stadt verschwamm vor seinen Augen, die Übelkeit wurde so heftig, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, sondern kraftlos auf die Knie herabfiel, und er hörte Rowlf neben sich wimmern wie ein verängstigtes Kind. Da erst begriff er, dass es seine eigene Stimme war, die er hörte. Plötzlich waren Geräusche da, die es eine Sekunde zuvor noch nicht gegeben hatte; ein dumpfes, unrhythmisches Pochen und Klopfen, ganz ähnlich dem Laut, der aus dem Herzen der Morlock-Stadt heraufgedrungen war, nur unendlich viel kraftvoller und düsterer; auf eine schwer in Worte zu fassende Weise böser. Zitternd vor Angst öffnete er die Augen und für einen Moment, der vielleicht nur eine Sekunde währte, ihm aber wie ein Ausschnitt der Ewigkeit vorkam, sah er seine schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen. R’lyeh war wieder auferstanden. Rings um Rowlf und ihn erhoben sich die blasphemischen Türme und Bauwerke der Dämonenstadt in all ihrer schrecklich schönen Pracht, war die Stadt zu alter Größe und Gewalt wiedererstanden. R’lyeh existierte. Nichts war zerstört, nichts verfallen, und die Stadt erschien ihm hundert Mal schrecklicher und grauenerregender, als er sie sich nur vorzustellen imstande gewesen war.
Noch entsetzlicher aber als der Anblick der Gebäude, der alleine dazu angetan war, dem Auge des Beobachters Schmerzen zuzufügen und seinen Geist zu verwirren, waren die Wesen, die sich zwischen ihnen bewegten. Schwarze, titanische Spottgeburten, entsetzliche Monstren, die sich jedem Versuch, sie mit Worten zu beschreiben, entzogen. Keines glich dem anderen, weder im Aussehen noch in Größe. Da waren Geschöpfe, die kaum größer schienen als ein Hund, aber auch Ungeheuer wie wandelnde Berge, Bestien mit zwei, fünf oder auch zehn Köpfen, mit Dutzenden von peitschenden langen Tentakeln oder auch gänzlich ohne Gliedmaßen, Monstrositäten, die es nicht einmal in den finstersten Abgründen der Hölle geben durfte.
Und diesmal waren es keine Schatten. Keine Gespenster, die nicht wirklich existierten, sondern reale, lebende Wesen – und sie nahmen Howard und Rowlf so deutlich wahr, wie diese umgekehrt sie!
Eine Welle von Panik überflutete Howards Gedanken, als sich zwei der schwarzen Spottgeburten umwandten und mit raschen Bewegungen auf Rowlf und ihn zukamen. Er wollte fliehen, aber es gab nichts, wohin er sich wenden konnte. Auch die Straße hinter ihnen war voller Ungeheuer, rechts und links erhoben sich titanische Mauern und selbst die Luft war voller flatternder, wogender Bewegung. Die beiden Monster näherten sich rasend schnell. Ein halbes Dutzend schwarzer, zitternder Tentakel streckte sich nach Rowlf und ihm aus. Howard schrie auf, riss entsetzt die Arme vor das Gesicht – und erstarrte plötzlich mitten in der Bewegung.
Die beiden Bestien waren verschwunden. Und nicht nur sie. Mit ihnen hatten sich auch alle anderen Ungeheuer aufgelöst wie ein Spuk und auch das
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