Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
Rolle bewusst gespielt, nicht wahr?«
Stone nickte. Ein Ausdruck neuen, noch tieferen Erschreckens begann sich auf ihren Zügen auszubreiten. »Sie … Sie kannten ihn wirklich«, murmelte sie. »Sie waren Freunde.«
»Nein«, widersprach Howard. »Aber wir standen einmal … sagen wir: auf der gleichen Seite. Wenigstens dachten wir es.«
»Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte Stone erneut.
»Nein«, widersprach Howard. »Das haben Sie nicht. Sie hätten ihn nicht retten können. Und was immer ihm zum Verhängnis geworden ist, hätte auch Sie vernichtet, wären Sie eine Sekunde früher in das Zimmer gekommen. Ich bin nicht einmal sicher, ob Sie jetzt in Sicherheit sind. Vielleicht sollten Sie dieses Haus verlassen.«
»Dazu ist es zu spät, fürchte ich«, sagte Stone. »Großer Gott, was habe ich getan? Gehen Sie, Mister Phillips. Gehen Sie! Schnell!«
Howard sah sie irritiert an. Plötzlich war in ihrer Stimme ein Klang, den er nur noch mit dem Wort Panik beschreiben konnte. »Aber was -«
»Gehen Sie!«, unterbrach ihn Stone. Sie schrie fast. »So lange Sie es noch können!«
Aber er konnte es nicht mehr.
Noch bevor Stone das letzte Wort ausgesprochen hatte, wurde die Tür mit einem Ruck aufgerissen und drei Männer stürmten herein. Zwei von ihnen packten Howard, so schnell und kompromisslos, dass er nicht einmal wirklich begriff, wie ihm geschah, während der dritte etwas langsamer näher kam und ihn mit einem langen, abschätzenden Blick maß. Dann wandte er sich langsam und mit einem unangenehmen Lächeln an Stone.
»Ausgezeichnete Arbeit«, sagte er. »Sie haben sich Ihre Belohnung verdient, Miss Stone.«
»Sie … Sie täuschen sich«, sagte Stone. Ihre Stimme zitterte. »Ich habe mich geirrt. Er ist ein Freund von Dr. Treymour.«
»Das behauptet er«, sagte der Fremde. Er war sehr groß, hatte ein unangenehmes Gesicht und eine von Falten zerfurchte Glatze. »Zweifellos hat er das behauptet. Aber die Wahrheit dürfte ein wenig anders aussehen.« Er wandte sich an Howard. »Nicht wahr, Mister Lovecraft?«
»Love …« Stone sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein und wandte sich zu Howard um. »Sie … Sie sind Lovecraft?«
Howard nickte, so weit ihm dies möglich war. Die beiden Männer hielten ihn mit so eiserner Kraft, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Ihr Griff tat weh.
»Großer Gott!«, murmelte Stone. »Was … was habe ich getan? Aber Sie … Sie haben doch gesagt …« Sie wandte sich wieder an den Mann mit der Glatze. »Sie haben gesagt, ich … ich soll Bescheid geben, wenn jemand nach Dr. Treymour fragt, damit wir seine Entführer dingfest machen!«
Der Kahlköpfige lachte leise. »Das stimmt«, sagte er. »Und ich danke Ihnen auch noch einmal für Ihre Hilfe. Und was die versprochene Belohnung angeht …«
Und damit griff er unter seinen Mantel, zog einen schmalen Dolch hervor und stieß ihn der Frau mit einer fast gemächlichen Bewegung ins Herz. »Hier ist sie.«
Stones Augen weiteten sich. Sie taumelte, hob die Hand an die Brust und starrte eine halbe Sekunde lang fassungslos auf den allmählich größer werdenden roten Fleck auf ihrem Kleid. Dann brach sie lautlos in sich zusammen. Sie war tot, ehe ihr Körper den Boden berührte.
Mehrere Minuten lang starrte ich völlig regungslos das aufgeschlagene Buch an, ohne mehr zu sehen als die beiden Wörter und das auf die gegenüberliegende Seite gezeichnete Symbol. Kein Wunder, dass mir die Zeichen auf dem Relief bekannt vorgekommen waren, auch wenn sie nicht von den GROSSEN ALTEN stammten. Eine Zeit lang hatte ich geglaubt, es mit völlig neuen Feinden zu tun zu haben, aber das war ein Irrtum gewesen.
Die Thul Saduun.
Erinnerungen stiegen in mir auf und drohten mich zu überwältigen, und keine von ihnen war angenehmer Natur. Ich wusste nicht allzu viel über die Thul Saduun, aber zumindest in groben Zügen kannte ich ihre Geschichte. Genau wie die GROSSEN ALTEN waren auch sie einst von den Sternen zur Erde gekommen. Sie hatten einen Äonen währenden Krieg gegen die ALTEN geführt, der das Antlitz der Erde verwüstet hatte, doch schließlich waren sie unterlegen gewesen und waren unterjocht worden. Aber die Thul Saduun waren ein zu mächtiges und kriegerisches Volk, um sich in ein Dasein als Dienerrasse zu fügen. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie sich erneut gegen die GROSSEN ALTEN aufgelehnt hatten, und diesmal waren sie für ihren Frevel von ihnen grausam bestraft und verbannt worden, genau wie es
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