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Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Titel: Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dass sie Blossom für ein Wesen dieser Größe eigentlich unmöglich erschien, ergriffen drei weitere Soldaten und zerrten sie mit unvorstellbarer Kraft auf den See zu.
    Blossom feuerte erneut. Die Kugel traf einen der Tentakel, zerschmetterte die grünen Schuppen und riss eine fast kopfgroße Wunde in das verwundbare Fleisch darunter. Der Griff des Fangarmes öffnete sich und der Mann stürzte in den See, wo er sofort von einem anderen Tentakel gepackt und unter Wasser gezerrt wurde; ebenso wie die beiden anderen Unglückseligen, die das Ungeheuer ergriffen hatte.
    Doch auch die anderen Soldaten hatten endlich ihren Schock überwunden und eröffneten nun das Feuer. Die Oberfläche des Sees begann erneut zu sprudeln und Blasen zu werfen. Grauer, ätzender Rauch erfüllte die Luft und aus dem schmerzerfüllten Pfeifen wurde ein Kreischen und Brüllen von unvorstellbarer Wut, aber auch fast ebenso großer Pein.
    Aber Blossom sah auch etwas, das ihn mit schierem Entsetzen erfüllte: So schrecklich die Wunden waren, die die großkalibrigen Geschosse aus ihren Gewehren rissen, vermochten sie dem Ungetüm doch keinen wirklichen Schaden zuzufügen, denn sie schlossen sich beinahe ebenso schnell, wie sie entstanden. Und aus dem Wasser tauchten immer noch mehr und mehr Fangarme auf, die nach den winzigen Wesen am Ufer griffen, die dem Geschöpf solche Schmerzen zufügten. Zwei, drei weitere Männer wurden gepackt und trotz verzweifelter Gegenwehr und des immer heftigeren Gewehrfeuers der anderen in den See und das tödliche Wasser hinabgezerrt.

 
18. Februar 1893
     
    Ich hätte mir gewünscht, dass der Anblick des Hauses nicht mehr als ein Albtraum wäre, aber dem war ganz und gar nicht so. Und wenn doch, so einer von der ganz besonders unangenehmen Art; der, die nach dem Erwachen nicht endet, sondern im Gegenteil nur noch schlimmer wird.
    Nach dem verheerenden Brand waren von dem Gebäude nicht viel mehr als die Grundmauern stehen geblieben. Heute erhob am Ashton Place 9 immerhin wieder etwas, das entfernt wie ein Gebäude aussah – zumindest, wenn man nicht zu genau hinsah – und nicht den Fehler beging, einen Blick hinter den überdimensionalen Bauzaun zu werfen, den die Firma STORM DEVASTATIONS nach übereinstimmender Auskunft mehrerer Nachbarn bereits zwei Stunden vor dem Vertragsabschluss errichtet hatte.
    Es war ein wirklich beeindruckender Zaun – gut doppelt so hoch, wie meiner Meinung nach nötig gewesen wäre, und mit einem Tor, das ganz so aussah, als würde es selbst dem Beschuss eines Schiffsgeschützes eine ganze Weile standhalten. Der Zaun bestand aus solidem englischen Eichenholz, zumindest nahm ich das an. Sehen konnte man es nicht, denn er war über und über mit grellbunten Reklametafeln bepflastert, die allesamt für eine einzige Firma warben – STORM DEVASTATIONS nämlich, eben jenes Bauunternehmen, dem ich vor mehreren Monaten in einem Anfall von galoppierendem Wahnwitz den Auftrag erteilt hatte, Andara-House wieder aufzubauen.
    Was hinter diesem Bauzaun lag, war schon etwas weniger erfreulich.
    Man konnte nicht unbedingt sagen, dass die Herren Storm und Co. noch nicht mit der Arbeit begonnen hätten. Ganz und gar nicht. Andara-House war keine Ruine mehr. Aber es sah auch nicht direkt aus wie ein Haus, nicht einmal wie ein Rohbau, sondern …
    Nein – mir fehlten die Worte (und im Moment sowohl die Geduld als auch der dazugehörige Galgenhumor), um das zu beschreiben, was in den letzten vier Monaten hier entstanden war. Der Zwischenrechnung nach zu schließen jedenfalls, die mir Mister Storm gestern hatte zukommen lassen, hätte sich hier mittlerweile etwas wie eine Luxusausgabe des Buckingham-Palastes erheben müssen, inklusive vergoldeter Kloschüsseln und diamantbesetzter Türknäufe.
    Mit steinernem Gesicht ließ ich meinen Blick über das halb fertige Dach und die zyklopisch erscheinenden Außenmauern wandern, die erst in den letzten Wochen und Monaten neu entstanden waren und doch schon jetzt auf eine unbegreifliche Art alt wirkten, so, als stünden sie bereits seit Jahrzehnten hier. Tief in mir regte sich der böse Verdacht, dass dies möglicherweise in ursächlichem Zusammenhang mit dem Alter der verwendeten Baumaterialien stehen könnte, aber ich verscheuchte den Gedanken.
    »Also?«, fragte ich. »Was haben Sie mir dazu zu sagen?«
    Es fiel mir schwer, Ruhe zu bewahren, da der bloße Anblick des Hauses mich bereits wieder in Rage brachte. Ich hatte von Anfang an gewusst, dass der

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