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Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Titel: Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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richtete es sich wieder auf – aber es griff nicht noch einmal an. Stattdessen starrte es abwechselnd mich und den Jungen mit undeutbarem Ausdruck an. Ein tiefes, drohendes Knurren drang aus seiner Brust. Zähne und Krallen drohten, aber das Tier schien begriffen zu haben, dass ich es ernst meinte – und im Zweifelsfall immer noch stärker war als er.
    Ich warf dem Kater einen letzten, mahnenden Blick zu und wandte mich dann wieder zu dem Jungen um. Er hatte gerade versucht mich aufzuspießen, aber ich zweifelte nicht daran, dass das eine bloße Panikreaktion gewesen war. Vermutlich war er vor Angst und Schmerzen halb wahnsinnig und hätte jeden angegriffen, der ihm über den Weg gelaufen wäre.
    Im Grunde war es ein reines Wunder, dass er überhaupt noch lebte. Das Ungeheuer musste ihn gepackt und in die Tiefe des Säuresees hinabgezerrt haben, so wie schon zahllose andere ahnungslose Opfer vor ihm, wie die Knochen bewiesen. Dass er von der ätzenden Flüssigkeit nicht auf der Stelle umgebracht worden oder ertrunken war, war mehr als ein Wunder.
    Und trotzdem nicht einmal das größte.
    Ich riss ungläubig die Augen auf, als ich in sein Gesicht sah. Gerade, als er über mir gestanden und dazu angesetzt hatte mich aufzuspießen, war seine Haut schwer verätzt gewesen. Jetzt wirkte sie allenfalls noch rot, als hätte er einen leichten Sonnenbrand – und auch diese Rötung verschwand, als er sich mit dem Unterarm über das Gesicht fuhr und dabei die Nase hochzog.
    Ich stand auf, streckte die Hand nach dem Jungen aus und blieb hastig wieder stehen, als er erschrocken zurückprallte. »Keine Angst«, sagte ich. »Ich tue dir nichts. Niemand tut dir etwas.«
    Ich versuchte zu lächeln, aber ich spürte selbst, dass es bei dem Versuch blieb. Der Kater fauchte drohend und die Angst in den Augen des Jungen wurde wieder stärker. Irgendetwas in diesen Augen kam mir bekannt vor, aber der Eindruck verschwand, ehe er deutlicher werden konnte.
    Vorsichtig machte ich einen weiteren Schritt auf den Jungen zu. Er wich um die gleiche Distanz vor mir zurück, und ich blieb wieder stehen.
    »Wer bist du?«, fragte ich. Keine Antwort. Diese dunklen, auf so beunruhigende Weise vertraut erscheinenden Augen starrten mich nur an.
    »Also gut«, sagte ich. »Du musst nicht antworten. Aber du brauchst auch keine Angst mehr zu haben. Auch nicht vor dem Kater. Er … er hat nur gedacht, er müsste mich verteidigen, verstehst du? Er ist ganz harmlos.«
    Der Kater ließ ein Fauchen hören, das meine Worte Lügen strafte, aber ich ignorierte ihn. Behutsam streckte ich die Hand aus und trat erneut auf den Jungen zu. Diesmal blieb er stehen. Ich fasste neuen Mut, machte einen weiteren Schritt und der Junge rührte sich noch immer nicht. Schließlich trat ich vollends an ihn heran und in diesem Moment verpasste er mir einen heimtückischen Tritt, der mich bunte Sterne sehen und auf die Knie herabsinken ließ.
    Als ich wieder atmen konnte, stand der Junge unmittelbar vor mir. Er blickte mich jetzt nicht mehr angsterfüllt an, sondern grinste. Im allerersten Moment verstand ich das nicht. Bis ich den Totenkopf sah, den er in der Hand hielt.
    Irgendwie gelang es mir, dem Schlag die allergrößte Wucht zu nehmen, aber ich fand mich trotzdem stöhnend und mit dröhnendem Schädel lang ausgestreckt auf dem Boden wieder. Allerdings nur für einen Moment – dann krümmte ich mich, als ein gemeiner Fußtritt meine empfindlichsten Körperteile traf und glühende Schmerzpfeile durch meinen Leib jagte.
    Ganz instinktiv griff ich zu, aber der Bengel entwischte mir mit erstaunlichem Geschick – allerdings nicht, ohne mir mit dem Absatz so kräftig auf die Finger zu treten, dass ich erneut vor Schmerz aufheulte.
    Das Maß war voll. Zornig sprang ich in die Höhe, packte den Burschen mit einer so blitzartigen Bewegung, dass er erschrocken keuchte, und schüttelte ihn. »Hör endlich auf!«, schrie ich. »Ich tue dir nichts, begreif das doch! Ich bin gekommen, um dich hier herauszuholen, du Dummkopf!«
    Der Knirps versuchte mir das Knie noch einmal zwischen die Beine zu rammen, aber ich hatte das vorausgesehen und blockte den Angriff mit dem Oberschenkel ab.
    Was ich nicht vorausgesehen hatte, waren sein Zeige- und Mittelfinger, die er mir wuchtig in die Augen stieß.
    Als ich wieder sehen konnte, lag ich bäuchlings auf dem Knochenstrand und der Bengel hüpfte wie Quasimodo auf meinem Rücken herum, dass meine Rippen krachten. Stöhnend wälzte ich mich zur

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