Heyne Galaxy 02
die Beobachtungsstation auf der Kreisbahn. Und das alles in einem einzigen Tag!«
»Oder in einem Jahr, in tausend Jahren«, sagte Adams spöttisch. »Kann aber auch sein, daß alles nur eine Sage ist. Vielleicht erzählen die Bilder die Geschichte der Käfer, die aus dem Himmel kamen, um die Ernte zu vernichten. Dann tauchten andere Käfer auf und retteten die Ernte. Das alles wurde zu einem Heldenepos verarbeitet, über das du dir heute den Kopf zerbrichst.«
»Nur ein Käfer tauchte auf und rettete die Ernte – ein Käfer, rund oder zwölfflächig, mit Augen und Energiestrahlen!«
Adams hatte ihn schon nicht mehr gehört. Er war weitergegangen. Seine Schritte verhallten in einiger Entfernung.
Pym fror plötzlich. Er sah hinaus ins Freie. Die flachen Dünen der Großen Syrte waren wie erstarrte Wogen eines Meeres. Der glitzernde Raureif vervollständigte die Illusion weißer Wellenkämme. In großer Entfernung war die MARS I zu erkennen, das Schiff, das sie von der Erde hierhergebracht hatte. Wie ein silberner Obelisk stand es dort, den Bug gegen den frosterstarrten Horizont gerichtet.
Pym fragte sich, was er wohl tun würde, wenn jetzt in diesem Augenblick ein riesiger Robot am Horizont auftauchen würde, mit tausend blitzenden Augen und alles versengenden Energiestrahlen, in dessen mechanischem Gehirn nur ein einziger Befehl verankert war … töten … vernichten …
Pym löste sich schaudernd von der Vorstellung und kehrte in die Wirklichkeit zurück.
»Zu spät«, sagte er zu den Bildern an der Wand. »Euer Wächter kam zu spät, um euch zu retten. Er vernichtete die Angreifer, aber ihr wart fast alle schon tot. Der klägliche Rest verfiel der Barbarei, wanderte durch die unfruchtbaren Wüsten und fand nichts als zerstörte, ausgebrannte Städte. Die Wissenschaftler waren tot, und mit ihnen der Fortschritt. Von der Größe des Mars war nichts geblieben.« Pyms Licht fiel auf die letzten beiden Bilder. »Nichts – außer dem Wächter. Er lebte in der Erinnerung weiter und gab euch Kraft. Er war euer Gott. Ihr habt ihm Tempel errichtet, viele Tempel, nicht nur diesen, den wir fanden. Euer Gott war eine Maschine.«
»Bravo!« Adams stand hinter Pym und klatschte in die Hände. »Bald hast du mich überzeugt, und ich glaube deine Geschichte. Eine düstere Geschichte, aber zum Glück gibt es noch andere Theorien.« Er drückte Pym zwei der gefüllten Beutel in die Hand. »Trotzdem – vielleicht droht wirklich Gefahr. Verschwinden wir von hier – zurück zum Schiff. Mir ist nicht mehr so wohl in meiner Haut.«
»Merkwürdig«, murmelte Pym. »Sehr merkwürdig.« Er schulterte die beiden Beutel. »Haben wir genug Aufnahmen gemacht?«
»Ach – du willst noch länger hierbleiben, obwohl der Wächter auf dem Kriegspfad ist?«
Pym warf ihm ein Schimpfwort zu und verließ den Tempel.
Adams folgte langsamer.
Noch einmal ließ er den Schein seiner Lampe über die siebzehn Bilder wandern.
Er lächelte nicht mehr, als er ins Freie trat.
Sie schritten durch die von dem kleinen Mond nur schwach erhellte Nacht. Das Schiff lag zwischen ihnen und dem Horizont. Es war kalt.
»Wir wissen nicht, ob der Wächter noch auf seinem Posten ist. Ein Robot kann ewig Wache halten, wenn seine Energiequelle genügend groß ist. Vielleicht streift er ganz in der Nähe durch die Wüste.«
Der Sand war locker. Ihre Füße sanken bis zum Knöchel ein. Die Spuren früherer Erkundungsgänge waren noch zu sehen – die Kälte und der Reif hatte sie eingefroren. Adams sagte etwas, aber Pym verstand es nicht.
Im Dünental war es dunkler. Für einen Augenblick konnte Pym seinen Gefährten nicht mehr sehen, dann tauchte er ein Stück weiter wieder aus dem Schatten auf. Sein Anzug schimmerte silbern in dem fahlen, kalten Licht. Er wartete auf Pym.
Hundert Meter hinter ihnen stand der Tempel. Schwarz und drohend hob er sich gegen den blassen Himmel ab, der von rosa Streifen durchzogen war. Die tiefen Gravuren einer fremdartigen Geometrie waren bis hierher nicht zu erkennen.
Pym durchschritt die Schattenzone und spürte, daß es wieder bergan ging. Er rannte zu Adams hin.
»Weiter!« keuchte er.
Adams lächelte.
»Fast bekomme ich nun selbst Angst«, gab er zu. »Du könntest vielleicht doch recht haben …«
»So, könnte ich?«
Adams stieß seine Stiefelspitze in den Sand und sah zu, wie einige Körner den Abhang hinabrollten. Er sah zum Tempel zurück.
»Alles, was du dort sagtest, deckt sich mit meinen eigenen Vermutungen.
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