Heyne Galaxy 02
war. Das Licht der Fackeln beleuchtete eine grauenhafte Szene. Am Boden verstreut lagen die Leichen der Selbstmörder. Es mußten mindestens hundert sein. »Gib mir Gelegenheit, mich mit meinem Gefährten zu beraten. Morgen werde ich dir unseren Entschluß mitteilen.«
»Nein«, sagte der Häuptling energisch. »Ihr habt den Krieg begonnen. Wir werden ihn zu Ende führen. Tapfere Krieger haben nur den einen Wunsch, im Kampf zu sterben. Ihr seid die ersten Feinde, die wir seit vielen Jahren gefunden haben.«
»Trotzdem möchte ich, daß wir darüber sprechen und …«
»Ich selbst werde kämpfen!« rief der Häuptling, zog ein Messer aus dem Gürtel und hob es. »Ich werde für mein Volk sterben, wie es sich für einen Krieger gehört.«
»Nein – nicht!« Fannia wußte nicht, was er tun sollte. »Wir haben einen Waffenstillstand geschlossen. Unsere Religion verbietet uns den Kampf in der Nacht. Wir dürfen nur im Licht der Sonne kämpfen. Es ist ein Gesetz, das wir beachten müssen.«
Der Häuptling dachte kurz nach, dann nickte er.
»Also gut. Dann morgen früh.«
Die geschlagenen Terraner kehrten zum Schiff zurück, verfolgt von dem triumphierenden Geschrei der siegreichen Cascellaner.
Am nächsten Morgen war Fannia auch nicht klüger. Er hatte keinen Plan ausarbeiten können. Der Treibstoff mußte her, das war klar. Er hatte keine Lust, den Rest seines Lebens auf Cascella zwischen tapferen Kriegern zu verbringen oder zu warten, bis zufällig ein anderes Schiff hier landete, in zehn oder zwanzig Jahren. Aber natürlich wollte er auch nicht für den Tod von einer oder zwei Milliarden Eingeborener verantwortlich sein. Das wäre ein schlechter Weltrekord. Wenn die Forschungsflotte dahinterkam… doch davon abgesehen, Fannia dachte überhaupt nicht daran, auf Cascella ein Blutbad anzurichten.
So oder so – es gab keinen Ausweg aus der Lage.
Langsam marschierten sie auf die Stadt zu, ohne zu wissen, was sie dort tun sollten oder welche Vorschläge sie dem Häuptling machen sollten. Das Dröhnen der Trommeln drang an ihre Ohren. Man erwartete sie bereits und rief zum Streit.
»Gäbe es wenigstens einen handfesten Gegner«, knurrte Donnaught wütend und legte die Hand auf den Kolben der nutzlosen Waffe.
»Das ist ja der Witz bei der Sache. Das schlechte Gewissen macht uns zu reuigen Sündern. Irgend etwas ist dran an der ganzen Geschichte, so verrückt sie auch klingen mag. Wir müssen einfach nachgeben, wenn wir den Planeten nicht entvölkern wollen. Auch auf der Erde haben die Heere nicht gegeneinander gekämpft, bis es keine Überlebenden mehr gab. Die eine oder andere Seite gab früh genug auf.«
»Dort wurde gekämpft! Täten sie das hier nur auch!«
»Ja, täten sie nur …« Fannia blieb plötzlich stehen. Er starrte Donnaught an. »Natürlich, das ist es! Donnaught, wir beide werden vor den Augen der Cascellaner miteinander kämpfen. Sie betrachten den Selbstmord als Kampf, also ist es logisch, daß sie den richtigen Kampf wie einen Selbstmord betrachten müssen.«
»Ich verstehe kein Wort«, murmelte Donnaught und folgte Fannia, der weitergegangen war. »Kein Mensch wird daraus noch schlau.«
Sie kamen in die Stadt.
Die Straßen waren gesäumt von bewaffneten Cascellanern, Hunderte und Tausende von ihnen. Vor der Stadt lagerten sie in riesigen Gruppen. Soweit das Auge reichte, bis zum Horizont, sah man nichts als kampfbereite Heerscharen, die, vom Ruf der Trommeln herbeigelockt, gekommen waren, um gegen die Fremden zu streiten.
Was bedeutete, daß sie sich alle umbringen würden.
»Du mußt es von unserem Standpunkt aus betrachten«, flüsterte Fannia. »Wenn jemand auf der Erde versucht, Selbstmord zu begehen, was tut man dann?«
»Man hindert ihn daran.«
»Das auch. Aber man versucht doch, ihn zu überreden. Man bietet ihm alles mögliche an, damit er es nicht tut. Man bietet ihm Geld, Frauen, eine gute Stellung – was weiß ich alles. Selbstmord ist eben tabu.«
»Na, und?«
»Hier könnte es umgekehrt sein. Vielleicht ist der richtige Kampf verpönt. Wenn wir gegeneinander kämpfen, bieten sie uns vielleicht auch alles, damit wir nur aufhören. Treibstoff zum Beispiel.«
Donnaught sah nicht sehr überzeugt aus, aber Fannia war fest entschlossen, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
Ungehindert durchwanderten sie die Straßen, bis sie den Stahlturm erreichten. Dort erwartete sie der Häuptling. Er strahlte über das ganze Gesicht. Stolz und siegessicher. Er sonnte sich im
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